Die soziale Lage der Übersetzer

Gehören unsere Helden zu den geachteteren Ständen oder sind sie nur das Proletariat der Verlage? Weiter oben war so viel von öffentlicher Aufmerksamkeit, Förderung und Auszeichnung die Rede, dass dabei die Niederungen des Alltags leicht verdeckt werden.

Es ist schon vorgekommen, dass ein Verlag das neueste Buch eines weltbekannten norwegischen Forschers feierlich präsentiert und dazu nicht einmal die Übersetzerin einlädt, weil die am anderen Ende des vereinigten Vaterlandes wohnt. Und wenn sich die Auftragnehmer dem Preisdiktat eines Verlages nicht unterwerfen wollen, kann das im Extremfall so zugehen wie im Falle Piper Verlag gegen Karin Krieger.

Karin Krieger hatte den Roman "Seide" von Alessandro Baricco übersetzt, woraus ein Bestseller wurde, an dem der Piper Verlag nicht schlecht verdiente. Unter Berufung auf den Bestsellerparagraphen im Urheberrechtsgesetz hatte Karin Krieger im Frühjahr 1999 deshalb eine Erfolgsbeteiligung verlangt. Dieser konnte sich der Verlag zwar nicht prinzipiell verweigern, aber er reagierte mit einer Strafmaßnahme: sämtliche fünf Baricco-Übersetzungen von Karin Krieger - die drei erschienenen Romane "Seide", "Land aus Glas" und "Novecento" sowie zwei weitere, noch nicht erschienene Titel - neu übersetzen zu lassen und auszutauschen. "Novecento" erschien in der Folge in identischer Aufmachung und mit gleicher ISBN in einer anderen Übersetzung, parallel zu den noch erhältlichen Exemplaren in der Übersetzung Karin Kriegers.

Im Ergebnis eines zweijährigen Rechtsstreits wurde vom Oberlandesgericht München herausgearbeitet: Übersetzungen sind urheberrechtlich geschützte Werke, die von Verlagen nicht beliebig ausgetauscht oder nach Gutdünken vom Markt genommen werden können, um sich auf diese Weise einer angemessenen Honorierung zu entziehen. (Ausführlich: Urteil des OLG München, verkündet am 1. März 2001!)

Übersetzer arbeiten freiberuflich und im Auftrag meist wechselnder Verlage.

In einem Papier des Europäischen Übersetzerkollegiums (broken Link!) wird ein Marktpreis von zur Zeit (Stand 1997) etwa 32,- DM pro Normseite von 30 Zeilen mit je 60 Anschlägen angegeben. Gerade jüngere Kollegen und solche, die aus selteneren und weniger gefragten Sprachen übersetzen, erzielen diesen Preis eher nicht. Für ihre bürgerliche Existenz ist es erforderlich, entweder ein sicheres Einkommen aus einer anderen Tätigkeit zu erzielen (häufig im akademischen Bereich) oder von einem Lebensgefährten "subventioniert" zu werden. Klaus Birkenhauer konstatiert im eben zitierten Papier:

""Doch wenn ein literarischer Übersetzer nach einigen Berufs-Jahren den gehobenen Durchschnitt von 32,- erreicht, lebt er immer noch äußerst kärglich: Wer netto (!) 50.000,- DM im Jahr verdienen will, muß jährlich 1.600 Seiten druckfertig übersetzen, das heißt, an jedem Werktag (ohne Feiertage oder gar Urlaub) fünf Seiten. Doch dies ist nicht lange durchzuhalten, und dann beginnt man zu schludern, womit man sich (und »seine« Bücher) auf die Dauer wieder vom überbesetzten Markt verdrängt."

"Umfragen im Verband haben ergeben, dass die besten Übersetzer, die sehr gefragt sind, die das ganze Jahr über Aufträge haben und viel arbeiten, kaum mehr als 2000.- Mark brutto im Monat erreichen. Wenn man das auf Stundensätze umrechnet, liegt ein Übersetzer weit unter dem, was das Reinigungspersonal bekommt, das im jeweiligen Verlag beschäftigt wird." So Thomas Provot in einem Interview mit MDR-online aus Anlass des Inkrafttretens des neuen Urheberrechts im Uli 2002

Ein besonders krasser Fall von Übervorteilung wurde im Kampf um das neue Urheberrecht publik. "Für die übersetzung von 29 Asterix-Bänden zahlte der Verlag der übersetzerin insgesamt rund 78 000 DM. Am 1. Januar 1998 waren mit der deutschen Ausgabe (und bis dahin 31 Bänden) 550 Mio. DM Umsatz erzielt worden." (vgl. Aus der Fälle-Sammlung der Initiative für ein neues Urheberrecht!

 


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Erstellt am 20.12.2002Zuletzt geändert am 06.01.2003