Rezension zu: "Der letzte Elch"
Sandkastenspiele

© Tom Peuckert in: Der Tagesspiegel; vom 29.12.2001 / S. 27

Richard Pietsch spricht Kurisch. Die Sprache der Kurischen Nehrung, jenes hundert Kilometer langen Sandhakens in der Ostsee, bekannt durch seine Wanderdünen und Thomas Manns Sommerhaus. Noch vor sechzig Jahren war die Nehrung eine Sprachinsel zwischen Litauen und Deutschland, in der eine eigene ostbaltische Sprache gesprochen wurde. Heute ist der 85-Jährige Pietsch der Letzte, der sie noch kennt. Ein Greis, voller Träume, Mythen und Anekdoten. Alles fließt in seinem Kopf auf wunderbare Weise ineinander: Der Schneesturm über den Dünen anno 1925 und die geheimnisvollen Stimmen im Hörapparat, der einsam am Strand wandernde Thomas Mann und die Visionen der letzten Nacht vom paradiesischen Jenseits.

Autor Jens Sparschuh hat Pietsch in seiner letzten Residenz, einem Heidelberger Seniorenstift, besucht. Er hat dem Alten ebenso bizarre wie lehrreiche Geschichten entlockt. "Der letzte Elch" heißt das schöne Feature. Ein Lehrstück über Heimaten, die immer zu versinken, Im Sand der Wanderdünen und in den Fluten der Zeit. Letzten Endes sind wir ja alle Heimatvertriebene. Schon früh verjagt aus den Paradiesen der Kindheit. Die Wurzeln der Herkunft gerodet vom stählernen Pflug des Fortschritts.

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