Lieder über Lieder

Im folgenden einige Liedtexte, die von Liedern sprechen und programmatisch gemeint sind. Alle wollen das Gute, mal wärmer, mal kälter, mal poetischer mal spröder, mal anmaßend und mal zärtlich. Natürlich sind weder Auswahl noch Zusammenstellung zufällig und absichtslos.

Canta, camarada, canta!
(Lied der damals verbotenen und von Salazar-Regime verfolgten KP Portugals, hier mit dem deutschen Text von Gerd Eggers, populär gemacht durch die Gruppe Spartakus der Pädagogischen Hochschule Potsdam unter Leitung von Wolfgang Protze.)

Canta, camarada, canta,
Laßt uns meine Lieder singen!
Unsre Lieder sind Wie Schwerter,
und scharf blitzen ihre Klingen.
Canta, camarada, canta!
Die Erde, soll sie nur beben,
wird uns doch am End behalten
Die Menschen, sie werden leben.

Lieder sind Brüder der Revolution (Jahrgang 49, Text Gerd Eggers, Musik: Rainer Neumann)

lieder sind brüder der revolution lieder sind ihre begleiter
doch stießen nicht lieder den zaren vom thron
von ausbeutern befreit kein ton
schuld an ihrem ende
war'n hände, sind hände.
lieder sind brüder der revolution
in allen ländern und zeiten
sie sind bei den einfachen leuten zuhaus
gehn der revolution voraus
gegen schwächen und lügen
und feiern die siege

Für wen wir singen

Wir singen nicht für Euch,
Ihr, die Ihr Eure Riemen enger schnallt,
wenn es um Höheres geht.
Ihr, bis zum Rand voller
Gefühlsmatsch,
Ihr, die Ihr nichts so haßt
wie Eure eigenen verschwärten Leiber,
Die Ihr Euch noch in Fahnen wickelt,
Hymnen singt,
Wenn Euch der Strahlengürtel schnürt.
Und nicht für Euch,
Ihr High-Life-Spießer mit der
Architektenideologie,
Ihr frankophilen Käselutscher,
Ihr, die Ihr nichts so liebt
wie Eure eigenen parfümierten Pöter,
Ihr, die Ihr Euch nicht schämt
den Biermann aufzulegen,
Weil der so herrlich revolutionär ist.
Nein, für Euch nicht.
Wir singen nicht für Euch,
Ihr vollgestopften Allesfresser mit der
Tischfeuerzeugkultur.
Ihr, die Ihr Eure Frauen so wie
Steaks behandelt
und vor Rührung schluchzt,
wenn Eure fetten Köter sterben.
Die Ihr grinst, wenn Ihr
an damals denkt, wie über einen Herrenwitz.
Und nicht für Euch, die Ihr nur lebt,
weil hier zuviel und anderswo
zu wenig Brot herumliegt.
Tempelstufenhocker,
Ihr, die Ihr nichts so liebt
wie Eure eigenen bemalten Bäuche,
die Ihr mit blödem Haschisch-Lächeln
Eure gesetzlosen Gesetze
vor Euch hinlallt.
Nein, für Euch nicht.
Wir singen für Euch,
die Ihr die feige Weisheit
Eurer Heldenväter
vom sogenannten
Lauf der Welt in alle Winde
schlagt und einfach ausprobiert,
was richtig läuft.
Die Ihr den Lack, mit dem
die Architekten überpinseln,
runterbrennt von allem rissigen Gebälk.
Für Euch, die Ihr die fetten
Köter in die Sümpfe jagt,
nicht schlafen könnt,
wenn Ihr an damals denkt,
und alle Allesfresser schnarchen hört
und nicht auf Tempelstufen hocken wollt,
solange der Schlagstock noch die
weiße Freiheit regelt,
Napalm noch die Speise
für die Armen ist,
wir singen für Euch.

Wenn meine Lieder nicht mehr stimmen
(Bettina Wegner, 1972)

Wenn meine Lieder nicht mehr stimmen
und keiner hört mir zu
da laß ich die Gitarre schwimmen
und setze mich zur Ruh.
So viele Leute, die ich kenne
die singen schön und aus Beruf
zuviel, als daß ich Namen nenne
versaun der Ehrlichkeit den Ruf.
Wie oft hör ich: Was soll ich machen?
Ach, Ehrlichkeit bringt nicht viel ein
da sing ich lieber seichte Sachen
kassier mein Geld und sag nicht nein.
Dann stelln sie sich auf eine Bühne
und singen irgendwelchen Mist.
Mensch, besser, daß ich nichts verdiene
eh ich was singe, was nicht ist.
Dann gibts noch solche, die was zeigen
die singen nicht, die machen frei
und achten drauf, daß beim Verneigen
vom Körper was zu sehen sei.
Vergessen über Brust und Beinen
daß es noch Wirklichkeiten gibt
worüber ganze Völker weinen.
Das Schlimme ist: Die sind beliebt.
Ich glaube, es ist nicht so bitter
daß mich nicht jeder brauchen kann.
Ich will nicht singen wie ein Zwitter
nur vorher fragen: Kommt das an?

Wenn meine Lieder nicht mehr stimmen
und jeder hört mir zu
da laß ich die Gitarre schwimmen
und setze mich zur Ruh.

Manifiesto
(Victor Jara, 1973)

Ich singe nicht, um zu singen,
weil ich eine schÖne Stimme habe,
ich singe, weil die Gitarre
tiefen Sinn und Verstand hat.
Sie hat das Herz von Erde
und Flügel eines Täubchens.
Sie ist wie geweihtes Wasser,
ist Segnung, Glorie und Leid:
Hier stimme ich mein Lied an,
wie Violeta es sagen würde.
Die Arbeiterin Gitarre
hat einen Duft nach Frühling.
Sie ist nicht Gitarre der Reichen,
dazu gibt sie sich nicht her.
Mein Lied steigt auf die Baugerüste,
um hoch zu den Sternen zu fliegen.
Der Gesang hat einen Sinn,
tönt er in den Adern des Sängers,
der auch noch beim Sterben
die Wahrheit offen heraussingt.
Weder flüchtigen Schmeichel
noch fremden Lobgesang,
sondern den Gesang einer Lerche
bis tief auf den Grund der Erde,
wohin alles gelangt
und wo alles beginnt.
Hat der Gesang Mut bewiesen,
wird er immer neues Leben haben

soll sein (Gerhard Gundermann)
veröffentlicht auf der Gundermann-CD "Einsame Spitze" von 1993.

der winter soll wieder richtig kalt sein
und aufm dach soll schnee sein aber weiss
rings um mein haus soll wieder richtig wald sein
und der ofen drinnen richtig heiss
mein teppich der soll endlich wieder fliegen
mein zauberpferd kommt angetrabt
die flaschengeister könn mich nicht mehr kriegen
weil ich wieder freunde hab
die bäume sollen wieder meine brüder sein
wir lassen unsre wunden heiln
in den zweigen solln die vögel wieder
wohnen und mit mir die kirschen teiln
ich will auch wieder mit den tieren sprechen
können und ich will das gras verstehn
was es flüstert in den blauen blauen
sommernächten
ich habe mich so lang danach gesehnt
frag mich nicht wie
frag mich nicht wann
's ist doch nurn lied
aber mitm lied
fang ich erst mal an
der regen soll wieder seinen bogen schlagen
zwischen schwarz und weiss wien bunter arm
und das rot darin soll nicht mehr so verlogen
sein und grün und gelb nicht mehr so arm
die pilze sollen wieder in die bomben kriechen
und die bomben wieder inn fleugzeugbauch
das loch im himmel soll sich wieder schliessen
und die löcher in der erde die auch
frag mich nicht wie
frag mich nicht wann
's ist doch nurn lied
aber milm lied
fang ich erst mal an

 

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Erstellt am 25.11.1998HTML-Fassung im April 2002Zuletzt geändert am 20.06.2004