Zwischen den Tagen

Das Thema 2002 und seine Bewältigung

Es ging im Oktober 2002 um den guten Ton in Produktion, Sendung und Wiedergabe. Wir haben die zwei verfügbaren Tage so strukturiert, dass der erste Tag die Thematik eher aus tonmeisterlich-technischer und der zweite sie mehr aus inhaltlicher Perspektive beleuchtet hat. Reinhard Walter (Berlin) hat auf ebenso anspruchsvolle wie beeindruckende Weise erläutert und demonstriert, wie zahlreich und komplex die Faktoren sind, die den Charakter und die Klangqualität einer Musikaufnahme im Raum bestimmen und beeinflussen. Sein Credo: "Der Ton wird vor dem Mikrofon gemacht!"
Als Tonmeister hat sich Reinhard Walter sowohl beim Radio als auch jetzt in seinem eigenen Studio zwar in erster Linie Dank seines musikalischen und technischen Sachverstands und Könnens behaupten können. Aber sein Handicap bedeutete praktisch, dass er die Aussteurungsanzeigen nicht ablesen konnte. Mit Spezialisten entwickelte er daher ein Gerät, dass ihm die Informationen zur optimalen Aussteuerung sensorisch ans Handgelenk liefert. Wie er in Boltenhagen mitteilte, könnte er eine Serienproduktion auf den Weg bringen, wenn es genügend Interessenten gäbe. Daher hier die Frage: Wer könnte ein solches Aussteuerungsinstrument auch gebrauchen. Interessenten senden bitte eine Mail an Reinhard Walter!

Stefan Weiler (Hambühren) hatte es übernommen, einen Überblick zu den Audioformaten zu geben. Bei dem von ihm veranstalteten Hörvergleich verschiedener Formate und Reduktionsstufen hat sich gezeigt, dass das hörpsychologische, subjektive Moment wohl doch stärker ist als unsere Wahrnehmungsfähigkeit von Unterschieden. Wir sind jedenfalls auf den Vergleich dreier Einspielungen hereingefallen, von denen Stefan nach kontroverser Beurteilung durch uns Zuhörer verkündete, dass es sich um absolut identische Wave-Dateien gehandelt hat. Die anwesenden Experten waren sich am Ende in vielem so uneins, dass der gute Ton schon in Gefahr schien; Aber Konsens bestand doch darin, dass Datenreduzierungen allemal problematisch bleiben bei der weiteren Bearbeitung des jeweiligen Audiomaterials.
Stefan referierte an Beispielen auch seine Erfahrungen mit der Restaurierung des Tons alter Schallplatten und MCs. Rechentechnik leistet hier schon eine Menge, wenn sie denn klug dosiert zum Einsatz kommt. Den meisten Anwesenden waren am Ende aber die Störsignalanteile in den alten Aufnahmen, wie sie sagten, lieber als die bereinigten. Ob nun aber die Aufwertung von gehörten Höhen durch einen Rauschanteil gewissermaßen hörpsychologisch erfolgt, blieb - wie manches andere auch - umstritten.

Auch diesmal hat uns keiner der angekündigten Akteure im Stich gelassen, doch so tat nicht die Technik. Geplanter Höhepunkt des abends war die 6-Kanal-Vorführung von Musikproduktion Dabringhaus und Grimm (Detmold). Während des Einmessens und Positionierens der Lautsprecher kam es zum Brand einer Frequenzweiche und so wurden wir auf den 2-dimensionalen Hörraum zurückgeworfen. Was in selbigem gehört und verhandelt wurde, warf dennoch interessante Schlaglichter auf die Wege der Tonträgerbranche. Manfred Görgen sei Dank!

Am Feature-Tag konnten wir Autoren dreier Generationen vereinen. Tanja Busse (32, Berlin) stellte ihr Feature "Zum Beispiel Klütz: landwirtschaft in Ostdeutschland" (WDR 2001) vor. Es spricht sehr für das ganz in Nähe des Veranstaltungsortes angesiedelte Stück, dass es zu tiefgehenden Inhaltlichen Erörterungen anregte. Engen Bezug zu unserem eher um Produktionszusammenhänge kreisenden Tagesthema hatte die Frage, ob Autoren bei der Produktion ihrer Stücke dabei sein sollten. Zur Rolle von Regisseuren hatten ja etliche der Anwesenden eigene Erfahrungen einzubringen.

Angelika Perl und Peter Kainz (Neuenhagen bei Berlin) sind mit reicher Ernte nach Boltenhagen gekommen. Allein mit der Bilanz des letzten Jahres hätten die Regisseurin und der Tonmeister, die ja auch als Autoren bekannt sind, den Nachmittag füllen können. Schon am Eröffnungsabend fand ja jenes Stück aus 1996 großen Anklang, das für Peter Kainz der Schluss- und Höhepunkt seiner Tonregie unter analogen Produktionsbedingungen darstellte: "Mein wunderbares Schattenspiel". Im Mittelpunkt des Samstag Nachmittag stand das Stück "Lass sie heißen, wie sie wollen ... - B. Travens (vorerst) letztes Geheimnis". Als wir zu den III. Medientagen 2001 bei den beiden Autoren angefragt hatten, ob sie mit ihrem Stück über den deutschen Freiheitsender 904 und den Soldatensender auf 935 zu uns nach Boltenhagen kommen würden, fiel ihnen die Zusage schon deshalb leichter, weil sie im nahen Holstein gerade zum Traven-Stück recherchierten. Und nun also hatten sie das hörenswerte Ergebnis dessen dabei.

Auf den Abend mit Altmeister Eckehard Saß hatten wir schon mit den "Hörstunden für Nimmersatte" hingearbeitet. Aus seinen Werken dreier grandioser Radiojahrzehnte hörten die Teilnehmer der Medientage beeindruckende Ausschnitte. Eingebettet in markante Tonbeispiele wurde im Porträtgespräch mit dem Autoren auch dessen Biographie und Arbeitsweise sichtbar. Und dass am Ende der gestandene Rundfunkmann und Tanja Busse im angeregten Gespräch beieinander standen, freut natürlich den, der gern Menschen vernetzt. Allen Feature-Redakteuren ins Stammbuch sei der Text geschrieben, den Ekkehard Saß zum Abschluss unseres Porträtgesprächs vorlas: Kleiner Knigge für den Umgang mit Autoren!

Was Mario Kriening für das "Kulturjournal" von NDR1 Radio MV herauskristallisierte, finden einige Teilnehmer allzu mager. Aber er hat doch eine Botschaft vermittelt, die vor allem Eckehard Saß aussprach: Feature wird es geben, solange es Menschen gibt, die etwas erzählen, berichten wollen und daher mit dem Tonband rausgehen, "allerdings vorausgesetzt, in den Redaktionen sitzen auch Menschen, die das noch fördern."

Die Iv. Boltenhagener Tage für akustische Medien endeten - wenn ich es richtig deute - so, dass sich der enorme Vorbereitungsaufwand gelohnt hat. Es gibt mittlerweile einen festen Teilnehmerstamm, auf den auch künftig gebaut werden kann. So haben wir zum Abschluss der IV. Medientage gemeinsam zurück und voraus geschaut. Der große Zuspruch hat dem Organisator das Herz gewärmt und zugleich bewusst gemacht, dass recht schnell mit einer gründlichen Vorbereitung begonnen werden muss.

 

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Erstellt am 10.10.2002Zuletzt geändert am 30.03.2004