I. Teil:

Theoretische Voraussetzungen für die Analyse von Eigentumsverhältnissen
1. Zur Herausarbeitung der wesentlichen Momente der dialektisch-materialistischen Eigentumsauffassung durch Karl Marx und Friedrich Engels

Bei der theoretischen Erfassung des Eigentums besteht das spezielle Verdienst von Marx und Engels keineswegs darin, das Privateigentum als Quelle des Elends der bürgerlichen Gesellschaft angeklagt und seine Aufhebung gefordert zu haben. Als sie zur revolutionären Arbeiterbewegung stießen, war die Überwindung des Privateigentums durch die "Gütergemeinschaft" als namensgebende Bestrebung des Kommunismus bereits vor aller Welt offen erklärt. Den Kern jener "Revolution im gesellschaftlichen Denken", die für alle Zeit unlösbar mit dem Namen Karl Marx verbunden bleibt, bildet vielmehr die Enthüllung des innersten Geheimnisses des Eigentums, also der Gesetze seiner Produktion, seines Werdens und seiner Negation. Solange diese Gesetzmäßigkeiten im Dunkeln blieben, konnte die Errichtung der klassenlosen Gesellschaft nicht aus einer Utopie in revolutionäre Praxis übergehen.

Die Herausarbeitung der theoretischen Fundamente, auf denen Marx, Engels und Lenin das ganze Gebäude des wissenschaftlichen Kommunismus errichteten, fällt weitestgehend in die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Auf dem damaligen theoriegeschichtlichen Hintergrund konnte eine wissenschaftliche Theorie vom Eigentum nur entstehen bei einer konsequenten Abkehr vom spekulativen Denken, ohne dabei die kritische Methode preiszugeben, die von Hegel unter idealistischer Hülle entwickelt wurde, denn nur sie ermöglicht es die Dinge, Menschen und Tätigkeiten in ihrem Entwicklungszusammenhang zu erfassen. Sowohl über den dialektischen Idealismus Hegels, als auch über den vorwiegend mechanischen Materialismus Feuerbachs hatte Marx sich erhoben, als er 1843 programmatisch formulierte: "Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Societät."Quelle! Als "Voraussetzung" des Staates, als ökonomische Verfassung der Societät betrachtete Marx das Privateigentum.Quelle! Somit war die Tendenz, die sich in Marx´ beiden Beiträgen zum ersten Heft der "Deutsch-Französischen Jahrbücher" dokumentierte, klar materialistisch, obwohl noch nicht die Untersuchung der materiellen Produktion als Schlüssel zum tieferen Verständnis des "Seins" der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt war. Doch die Konsequenz, mit der Marx den einmal eingeschlagenen Weg beschritt, führte ihn schon hier, bei der Kritik der idealistischen Staatsauffassung, zu der Erkenntnis: "Das Verhältnis der Industrie, überhaupt der Welt des Reichtums zu der politischen Welt ist ein Hauptproblem der modernen Zeit." Quelle!

Während Marx von der Kritik der spekulativen deutschen Philosophie ausgegangen war, hatte sich F. Engels in seinem Beitrag zu den "Deutsch-Französischen Jahrbüchern" vorgenommen, die Kategorien der bürgerlichen politischen Ökonomie in ein kritisches System zu bringen, dessen Ausgangspunkt das Privateigentum war. Aus dem Privateigentum leitete Engels den Handel, aus diesem den Wert ab, aus dem sich die Produktionskosten ergeben, die in Grundzins, Kapitalzins und Arbeitslohn zerfallen usw. Engels setzte in seinen "Umrissen zu einer Kritik der Materialökonomie" Kapital (Produktionsmittel) und Arbeit in dialektische Beziehung, wenn er schrieb: "Die aus dem Privateigentum folgende Spaltung zwischen Kapital und Arbeit ist nichts als die diesem enzweiten Zustande entsprechende und aus ihm hervorgehende Entzweiung der Arbeit in sich selbst."Quelle! Aber Kapital ist hier noch nicht als historisch bestimmtes Eigentumsverhältnis fixiert. Kapital und Arbeit werden unter dem Gesichtspunkt Produktionskosten in Beziehung gesetzt. Die Produktion ihrer "Entzweiung" konnte so nicht erklärt werden. Dazu hätte es der Entdeckung des Mehrwertes bedurft, die erst später möglich wurde.

In seinen Pariser Manuskripten des Jahres 1844 ging Marx über Engels´"Umrisse" hinaus, indem er die Arbeit als dialektisch andere Seite des Eigentums ins Zentrum seiner ökonomischen Theorie stellte. So notierte er: "Als Produkt, als notwendiges Resultat dieses Verhältnisses (der entäußerten Arbeit - J.T.) haben wir das Eigentumsverhältnis des Nichtarbeiters zum Arbeiter und der Arbeit gefunden. Das Privateigentum, als der materielle, resümierte Ausdruck der entäußerten Arbeit, umfaßt beide Verhältnisse, das Verhältnis des Arbeiters zur Arbeit und zum Produkt seiner Arbeit und zum Nichtarbeiter und das Verhältnis des Nichtarbeiters zum Arbeiter und dem Produkt seiner Arbeit." Quelle! Auch wenn auf dieser Stufe des Erkenntnisprozesses die Arbeit noch nicht zur Lohnarbeit und das Kapital zum "Mehrwert heckenden Wert" konkretisierbar waren, waren die unwissenschaftlichen Sozialkritiken der Utopisten überwunden in der Erkenntnis, daß der allgemeine Widerspruch der kapitalistischen Produktion nicht besteht zwischen Eigentum auf der einen und Eigentumslosigkeit auf der anderen Seite, denn "... der Gegensatz von Eigentumslosigkeit und Eigentum ist ein noch indifferenter, nicht in seiner tätigen Beziehung, seinem innersten Verhältnis, noch nicht als Widerspruch gefaßter Gegensatz, solange er nicht als der Gegensatz der Arbeit und des Kapitals begriffen wird."

Das Eigentumsverhältnis des Kapitalismus, der Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital, ist hier in der Weise antizipiert, wie ihn Marx dann in seinem ökonomischen Hauptwerk ausführlich entwickelte. 1844 blieb die Grundbeziehung freilich in der Abstraktion, weil die konkreten Gestaltungen und Erscheinungsformen, in denen sie sich real bewegt, noch nicht erforscht waren. So auch war die als apologetisch erkannte "trinitarische Formel" der bürgerlichen Ökonomen, die das Privateigentum mit dem Mythos einer ewigen Naturgegebenheit umgibt, nicht vollständig überwindbar vor der Enthüllung des Produktionsprozesses des Mehrwertes, einschließlich seiner Verwandlung in Unternehmergewinn, Kapitalzins und Grundrente.Quelle! Dazu war es notwendig, die Arbeit in ihrer kapitalistischen Daseinsweise genauer zu bestimmen, den Warencharakter der Arbeitskraft, ihren Wert und ihren Gebrauchswert herauszuarbeiten; daß dies 1844 noch nicht annähernd vollbracht war, läßt die wissenschaftliche Leistung erst ganz hervortreten, die Marx in seinen "ökonomisch-philosophischen Manuskripten" niederlegte, als er in der Abstraktion der Grundbeziehung (Arbeit und Eigentum) die Ablösung des Kapitalismus durch den Kommunismus als naturhistorischen Prozeß erklärte: "... die Arbeit, das subjektive Wesen des Privateigentums, als Ausschließung der Arbeit, ist das Privateigentum als sein entwickeltes Verhältnis des Widerspruchs, darum ein energisches, zur Auflösung treibendes Verhältnis."Quelle! und: "... daß das menschliche Leben zu seiner Verwirklichung des Privateigentums bedurfte wie andererseits, daß es jetzt der Aufhebung des Privateigentums bedarf."Quelle!

Indem die Frage nach der Produktion des Privateigentums und seiner objektiven Entwicklungstendenz eindeutig zur Kernfrage erhoben wurde, konnte der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat ökonomisch erklärt werden. Eine dementsprechende Ausführung gaben Marx und Engels in ihrem ersten gemeinsamen Werk, der "heiligen Familie", obgleich der wissenschaftliche Inhalt hier teilweise noch in spekulativer Form ausgesprochen wurde: "Proletariat und Reichtum sind Gegensätze. Sie bilden als solche ein Ganzes. Sie sind beide Gestaltungen der Welt des Privateigentums. Es handelt sich um die bestimmte Stellung, die beide in dem Gegensatz einnehmen. Es reicht nicht aus, sie für zwei Seiten eines Ganzen zu erklären. Das Privateigentum als Privateigentum, als Reichtum, ist gezwungen, sich selbst, und damit seinen Gegensatz, das Proletariat, im Bestehen zu erhalten. Es ist die positive Seite des Gegensatzes, das in sich selbst befriedigte Privateigentum. Das Proletariat ist umgekehrt als Proletariat gezwungen, sich selbst und damit seinen bedingenden Gegensatz, der es zum Proletariat macht, das Privateigentum, aufzuheben. Es ist die negative Seite des Gegensatzes, seine Unruhe in sich, das aufgelöste und sich auflösende Privateigentum." Quelle!

Und im "Elend der Philosophie", womit die Schaffung der methodologischen Grundlagen des wissenschaftlichen Sozialismus weitgehend abschließt, bezeichnete Marx "Anhäufung von Privatkapitalien, moderne Arbeitsteilung, Maschinenbetrieb, anarchische Konkurrenz" als "lauter Dinge, die auf dem Klassengegensatz beruhen. ... es ist die Gesellschaft, es sind die gesellschaftlichen Verhältnisse, basiert auf den Klassengegensatz. Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist, von Pächter zu Grundbesitzer etc."Quelle! Gerade die letzte Bemerkung ist von großer aktueller Bedeutung. Marx hat hier klar ausgesprochen, daß die Menschen als Akteure des Produktionsprozesses sich stets in ihren Funktionen als Produzent und Eigentümer aufeinander beziehen, wobei Produzent und Eigentümer in verschiedenen historischen Gestalten in Erscheinung treten. Aus der Tatsache, daß die Grundlagen der Wissenschaft an der Jahreswende 1846/1847 gegeben waren, das eigentliche Gebäude aber noch zu errichten blieb, resultiert - bezogen auf das Eigentum - ein Widerspruch, der nur durch den Übergang von der Makroanalyse der ökonomischen Verhältnisse zu ihrer detaillierten Untersuchung zu lösen war. Die Makroanalyse hatte Arbeit und Eigentum als Pole des grundlegenden Produktionsverhältnisses bloßgelegt. Indem aber als Ursache der Lohnarbeit das kapitalistische Privateigentum und als Ursache des Privateigentums die von ihren Voraussetzungen und Resultaten getrennte Arbeit erscheint, ist ein Zirkelschluß entstanden: Die beiden Momente erklären sich wechselseitig zu Ursache und Wirkung. In seiner Entschlossenheit, zur detaillierten Analyse der Entstehung, Entwicklung und Ablösung der kapitalistischen Produktionsweise überzugehen, formulierte Marx deshalb: "In jeder historischen Epoche hat sich Eigentum anders und unter ganz verschiedenen gesellschaftlichen Verhältnissen entwickelt. Das bürgerliche Eigentum definieren heißt somit nichts anderes, als alle gesellschaftlichen Verhältnisse der bürgerlichen Produktion darstellen. Eine Definition des Eigentums als eines unabhängigen Verhältnisses, einer besonderen Kategorie, einer abstrakten und ewigen Idee geben wollen, kann nichts anderes sein als eine Illusion der Metaphysik oder der Juristprudenz."Quelle!

In den Vierziger Jahren hat Karl Marx das Kapital als Eigentumsverhältnis und dieses Eiggentumsverhältnis als grundlegendes Produktionsverhältnis des Kapitalismus fixiert. Seine Forschungen in den Fünfziger und Sechziger Jahren haben diese Position bestätigt und fundiert. Marx demonstrierte, daß die Erforschung bestimmter Eigentumsverhältnisse es erforderlich macht, aus der Abstraktion Eigentum herauszutreten, die Produktionsverhältnisse als Totalität zu untersuchen. Für seine weiteren Arbeiten bedeutete diese Erkenntnis, daß eine explizite Behandlung des Eigentums nach dem "Elend der Philosophie" eigentlich nur noch dort vorkommt, wo es Marx darum ging, größere historische Linien zu erörtern, was stets Beschränkung auf das Wesentliche, das Grundlegende, verlangt.Quelle!

Seine Grundposition hat Marx noch einmal formuliert im resümierenden Teil des dritten Bandes des "Kapitals": "Es ist jedesmal das unmittelbare Verhältnis der Eigentümer der Produktionsbedingungen zu den unmittelbaren Produzenten - ein Verhältnis, dessen jedesmalige Form stets naturgemäß einer bestimmten Entwicklungsstufe der Art und Weise der Arbeit und daher ihrer gesellschaftlichen Produktivkräfte entspricht -, worin wir das innerste Geheimnis, die verborgene Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion ... erblicken." Quelle!

Im Zusammenhang mit der Erforschung der Dialektik der Produktionsweise der kommunistischen Gesellschaftsformation und insbesondere der Bestimmung ihres grundlegenden Produktionsverhältnisses sind in den zurückliegenden Jahrzehnten kontroverse Positionen entstanden. Gegensätzliche Auffassungen führten dabei für sich die gleiche Autorität ins Feld, nämlich Karl Marx. Es ist daher unumgänglich in aller Kürze solche Eigentumsbestimmungen von Marx zu betrachten, die in verschiedene Richtungen weisen.

  1. Gleichsetzung des Eigentums mit der Gesamtheit der Produktionsverhältnisse. 1846 schrieb Marx an Annenkow: "In der realen Welt dagegen sind die Teilung der Arbeit und alle übrigen Kategorien des Herrn Proudhon gesellschaftliche Verhältnisse, deren Gesamtheit das bildet, was man heute das Eigentum nennt; außerhalb dieser Verhältnisse ist das bürgerliche Eigentum nichts als eine metaphysische oder juristische Illusion."Quelle! Auf Proudhon zurückkommend, äußerte sich Marx auch 1865, als das theoretische Gebäude des Marxismus weitgehend errichtet war, in gleicher Weise: "Auf die Frage, was dies (Eigentum - J.T.) sei, konnte nur geantwortet werden durch eine kritische Analyse der ‚politischen Ökonomie', die das Ganze jener Eigentumsfverhältnisse, nicht in ihrem juristischen Ausdruck als Willensverhältnisse, sondern in ihrer realen Gestalt, d.h. als Produktionsverhältnisse, umfaßte." Quelle!
    Diese Äußerungen von Marx sind in engem Zusammenhang zu sehen mit seiner Bestrebung, die Abstraktion Eigentum aufzulösen durch die Erschließung ihres Korrelativs, der besonderen und einzelnen Produktionsverhältnisse. Im Marxschen Verständnis ist Eigentum keineswegs bloß der Name für eine Gesamtheit von Produktionsverhältnissen, sondern das ausgesprochene Wesen einer Totalität von Erscheinungen. Aber getrennt von dieser Totalität kann das Wesen nur ein spekulatives sein. Eben das meinte Marx, und Schwärzel betont m.E. zu Recht die Gültigkeit dieser Sicht auch für die sozialistische Gesellschaft, wenn er schreibt: "Das Allgemeine, das im Eigentum zum Ausdruck kommt, kann, gerade weil es das Allgemeine - allen sozialistischen Produktionsverhältnissen gemeinsame ist - als solches nur im engen Zusammenhang mit den besonderen bzw. einzelnen Verhältnissen erfaßt werden, deren Allgemeines es ist. Es kann also nur aus der Gesamtheit der sozialistischen Produktionsverhältnisse voll als grundlegendes Produktionsverhältnis erfaßt werden und muß auch schließlich in eben diesem Zusammenhang dargestellt werden."Quelle!

  2. Eigentum als Verhältnis der Verteilung.
    In der "deutschen Ideologie" wird Eigentum definiert als "quantitative wie qualitative Verteilung der Arbeit und ihrer Produkte" und auch als "die Verhältnisse der Individuen zueinander in Beziehung auf das Material, Instrument und Produkt der Arbeit."Quelle!
    Lassen diese Zitate den Schluß zu, daß das Eigentum eine Beziehung sei, deren ökonomisches Dasein auf die Sphäre der Distribution beschränkt wäre? Dann könnte das Eigentum nicht als grundlegendes Produktionsverhältnis angesehen werden, denn die Grundbeziehung kann nicht exklusiv der Distribution angehören, sondern muß in allen Phasen des Reproduktionsprozesses real sein, wenn auch in verschiedener Weise. Bisher jedoch hat noch kein Versuch überzeugt, ein anderes grundlegendes Produktionsverhältnis als die historisch bestimmte Beziehung von unmittelbaren Produzenten und Eigentümern der Produktionsmittel zu nennen. Für den Sozialismus kann es wohl ebensowenig in der Planmäßigkeit oder im sozialistischen Wettbewerb erblickt werden, wie für den Kapitalismus in der Anarchie oder der Konkurrenz. Die historisch bestimmte Beziehung von Produzent und Eigentümer, ohne die es keine materielle Produktion geben kann, manifestiert sich in einer bestimmten Verteilung der Produktionsbedingungen und Produkte. Hier nimmt Eigentum seine sinnfällige Gestalt an. Produktion und Distribution verhalten sich wie Tätigkeit zu Voraussetzung der Tätigkeit (Produkt). Diese Betrachtungsweise ist bereits in den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten" erkennbar, und sie liegt m.E. auch den zitierten Stellen aus der "deutschen Ideologie" zugrunde. In diesem Lichte muß man auch jene Aussage betrachten, derzufolge Eigentum "das Verhältnis der Produktion zur Verteilung der Produktionsmittel" darstellt. Quelle!
  3. Ansiedlung des Begriffes Eigentum im Reiche der Juristik. Im Vorwort zur "Kritik der politischen Ökonomie" schrieb Marx: "Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen, oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten." Quelle! Der Ausdruck Eigentum entstand, als Arbeitsteilung und Privatbesitz so weit entwickelt waren, daß sie der Rechtsgelehrtheit als besonderer Wissenschaft bedurften und sie daher auch hervorbrachten. Daß es sich beim Eigentum zu allererst um die juristische Fixierung der gesellschaftlichen Verhältnisse der materiellen Produktion handelte, wurde erst auf dem Boden der materialistischen Geschichtsauffassung sichtbar. Indem der Begriff Eigentum zum Synonym für das grundlegende Produktionsverhältnis wurde, ist er auch zur politökonomischen Kategorie geworden.
  4. Eigentum als Verhalten. Aussagen dieser Art konzentrieren sich in den "Grundrissen", vor allem im Abschnitt "Formen, die der kapitalistischen Produktion vorhergehn". Da heißt es u. a.: "Wir reduzieren dies Eigentum auf das Verhalten zu den Bedingungen der Produktion."Quelle!
    Um eine Reduktion handelt es sich hier in zweifacher Weise: Zum einen wird die Betrachtung auf den unmittelbaren Produktionsprozeß reduziert, also wird abgesehen von der Bewegung außerhalb desselben; zum anderen wird Eigentum reduziert auf seine Eigenschaft, sich im Verhalten der Menschen zu realisieren. Marx sah hierbei von der anderen Seite der Existenzweise gesellschaftlicher Verhältnisse ab, nämlich daß sie gegenüber dem Verhalten des Individuums vorgefundene Objektivität besitzen, was er andernorts betonte. In ihrem doppelten Dasein sind Produktionsverhältnisse objektive Beziehungen, die sich über subjektives Handeln (Verhalten) verwirklichen. Vergessen wir, daß sich ein gesellschaftliches Verhältnis auf keinem anderen Wege realisiert als über menschliches Verhalten, verwandelt es sich in eine übernatürliche Beziehung a priori. Vergessen wir die Seite des Verhältnisses, dem Verhalten der Menschen gegenüber als Vorgefundenes vorausgesetzt zu sein, verschwindet unterderhand sein objektiver Charakter. Reduktionen sind wichtige Mittel im Erkenntnisprozeß; man darf nur nicht vergessen, daß wir aus ihnen Redukte erhalten.

Marx war es niemals darum zu tun, eine umfassende und ausgewogene Eigentumsdefinition zu hinterlassen. Aus allen angeführten Teilbestimmungen ergibt sich aber folgendes Substrat.

Eigentum findet im Marxismus verschiedene Ausdrucksweise, stellt sich auf verschiedenen Ebenen dar. Die jeweilige Definition ist abhängig von der Art der Frage:

  • - Worin besteht das sozialökonomische Wesen einer gegebenen Produktionsweise? Wie wird dieses Wesentliche produziert?
  • - Oder: Welche Klassen- und Sozialstruktur geht aus der Produktion hervor? Wie sind die Bedingungen und Resultate der Produktion verteilt? Welche soziale Situation der Akteure des Produktionsprozesses ergibt sich hieraus?
  • - Oder: Wie sind die politischen und rechtlichen Bewegungsformen der gegebenen Produktionsverhältnisse beschaffen? Wie wirken diese auf die sozialökonomische Basis zurück?

Als grundlegendes Produktionsverhältnis ist das Eigentum die tätige Wechselbeziehung von Produzent und Eigentümer, wie sie aus der unmittelbaren Produktion hervorgeht. Manifest wird Eigentum in der Verteilung der gegenständlichen Bedingungen und Resultate der Produktion. Seine Fixierung findet es als Gegenstand des Rechts. Auf dieser Ebene kann sich Eigentum verselbständigen und tritt dann als Willensverhältnis oder Sache in Erscheinung.

"Um die Verhältnisse, worein Kapital und Lohnarbeit treten als Eigentumsverhältnisse ... auszudrücken, haben wir nichts zu tun als das Verhalten beider Seiten in dem Verwertungsprozeß als Aneignungsprozeß auszudrücken."Quelle! Dieser methodologisch wichtige Hinweis von Marx ist nicht ohne weiteres auf die kommunistische Gesellschaftsformation anwendbar, denn hier treten sich Produzent und Eigentümer nicht mehr äußerlich, als feindliche Klassen gegenüber. Doch für die Charakterisierung des Eigentums als grundlegendes Produktionsverhältnis des Sozialismus genügt es auch nicht, einseitig die Identität von Produzent und Eigentümer herauszuarbeiten. Bei Vernachlässigung der anderen Seite der Identität, des Unterschiedes, ist nicht der Bewegungsprozeß zu erklären. Eine Darstellung, die frei ist von dieser Einseitigkeit, hat m. E. erstmalig H. Friedrich gegeben: "Im Ergebnis der sozialistischen Revolution stellt die Arbeiterklasse die Identität von Arbeiter und Produktionsmitteleigentümer wieder her, die Arbeiter treten einander im gesellschaftlichen Maßstab als gemeinsame Eigentümer und die Eigentümer als Arbeiter einander gegenüber. Bedingung dafür, daß Arbeiter und Produktionsmitteleigentümer tatsächlich in ökonomische Verhältnisse zueinander treten, ist, daß die Produktion stattfindet, das heißt, sie können nur in der unmittelbaren Produktion, in der Distribution, im Austausch, in der Konsumtion materieller Güter und nicht daneben, getrennt oder außerhalb davon diese Verhältnisse eingehen. Die Produktion kann jedoch erst beginnen, wenn ihre beiden Faktoren, - Arbeiter und Produktionsmittel - miteinander verbunden sind. Die Art und Weise dieser Verbindung zwischen Arbeiter und Produktionsmitteleigentümer unterscheidet die Produktionsweisen voneinander." Quelle!

Das grundlegende Produktionsverhältnis des Sozialismus ist somit nicht empirisch konstatierbar, denn in seinem Wesen beziehen sich nicht verschiedene Menschen oder gar Klassen aufeinander. In Erscheinung treten kann das derart bestimmte Verhältnis dennoch erst in den Beziehungen verschiedener Menschen oder Klassen. Wesen und Erscheinung fallen auch hier nicht unmittelbar zusammen. Quelle!
Stärker noch als in der Großindustrie sind die Eigentumsverhältnisse in der Landwirtschaft vermittelte Beziehungen, deren Wesen nur im gesamtgesellschaftlichen Kontext bestimmbar ist.

Weiter!

 

Voriger Abschnitt! zurück zur Inhaltsübersicht! nächster Abschnitt!
Mein Diskussionsforum zu Fragen der Agrar- und Sozialgeschichte der DDR
Verzeichnis der Tabellen Verzeichnis zitierter Literatur Zusatzliteratur
Die nachträglichen Vorbemerkungen Fußnoten Teil I Fußnoten Teil II
Die komplette dissertation im WORD-Format: lttp://www.klangkontext.de/works/dissertation/dissertation.doc
Startseite von Klang kon Text! Impressum Eine E-Mail an den Autor!