II. Teil:
Die Anwendung der marxistischen Eigentumsauffassung auf den Prozeß der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik

1. Die Ausgangsproduktionsverhältnisse für eine sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft - die Subsumierung der privatbäuerlichen Landwirtschaft in ihrer vorgefundenen Gestalt unter das sozialistische Volkseigentum

Die Produktionsverhältnisse, von denen die sozialistische Revolution in der DDR auszugehen hatte, sind das Ergebnis der kapitalistischen Entwicklung im Deutschland vor 1945 und der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung im Osten Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg. Im Dorfe hat die demokratische Bodenreform als Teilprozeß der antifaschistisch-demokratischen Revolution den Mittelbauern zur Zentralfigur gemacht, also sozialökonomisch das kleinbürgerliche Element gestärkt, ohne die kapitalistischen Elemente innerhalb der Bauernschaft zu eliminieren. Die demokratische Bodenreform, welche die Klasse der Großgrundbesitzer vernichtete und deren Landarbeiter in Bauern verwandelte, machte damit die kleine Warenproduktion zum überwiegenden Moment in unserer Landwirtschaft.

Die gesamte Zahl der Wirtschaften war 1946 gegenüber 1939 von 572 00 auf 745 400 gestiegen und wuchs bis 1951 weiter auf 788 500, obwohl die landwirtschaftlich genutzte Fläche gleichzeitig rückläufig war von 6 394 000 auf 6 071 500 (1946) bzw. 6199 400 ha (1951).Quelle!

Eine Ahnung von der Veränderung der Sozialstruktur der privaten Landwirtschaft gibt Tabelle 1. Da in diesen Angaben der Charakter der Produktionsverhältnisse nicht hinreichend zum Ausdruck kommt, müssen statistische Angaben über die Beschäftigten der privaten Landwirtschaft hinzugezogen werden (s. Tab. 2).

Tabelle 1: Verschiebungen in der Sozialstruktur der privaten Landwirtschaft Tabelle 2: Die Beschäftigten in der privaten Landwirtschaft (Stichtag: 30.06.1953)

Wenngleich in ihnen nur eines der Momente kapitalistischer Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse widergespiegelt wird, belegen die Angaben über die Beschäftigtenstruktur, daß der kapitalistisch wirtschaftende Teil unserer Bauernschaft weder verschwunden noch auf diejenigen Betriebe mit mehr als 20 ha LN begrenzt war, die häufig als "Großbauernstellen" bezeichnet wurden. Obwohl die unmittelbaren Aneignungsverhältnisse der Bauernschaft durch die Errichtung der ökonomischen und politischen Macht der Arbeiterklasse zunächst nicht verändert wurden, beginnt schon damit die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft. Im Prozeß der "Schaffung der Voraussetzungen für die genossenschaftliche Umgestaltung" ist aus der Perspektive des Subsumtionsansatzes die erste Phase der sozialistischen Agrarrevolution zu erblicken. Inhalt dieser Phase ist die Schaffung eines sozialistischen Bewegungsrahmens, ohne dessen Analyse die Charakteristik des privatbäuerlichen Eigentums nicht historisch konkret sein kann. Um die Eigentumsverhältnisse der privatbäuerlichen Landwirtschaft historisch konkret zu fassen, sind daher zunächst die Veränderungen ihrer äußeren Realisierungsbedingungen zu skizzieren.

  1. Durch die Expropriation des großen Kapitals und die Konstituierung des Volkseigentums in den Schlüsselzweigen der Volkswirtschaft hat das Kapital aufgehört, gesellschaftlich herrschendes Produktionsverhältnis zu sein und die Entwicklung der Landwirtschaft zu prägen. Indem an die Stelle der Verfügbarmachung des Agrarproduktes für die Entwicklung des Kapitalismus die Verfügbarmachung eines Großteils des privatbäuerlich, also unter zersplitterten Produktionsbedingungen erzeugten landwirtschaftlichen Produkts für eine planmäßige Entwicklung des Sozialismus tritt, wurde die Landwirtschaft der sozialistischen Produktionsweise unterworfen, ohne schon unmittelbar umgestaltet zu werden. Obschon das privatbäuerliche Produkt weiterhin im Austausch realisiert wurde (soweit von Warenproduktion gesprochen werden konnte), hat sich dennoch der Charakter der Austauschbeziehungen, innerhalb deren sich das bäuerliche Privateigentum reproduzierte, grundsätzlich gewandelt.
    Die Errichtung des sozialistischen Volkseigentums gab dem Produktionsumsatz zwischen Industrie und Landwirtschaft (mit gewissen Einschränkungen kann man sogar sagen: zwischen Stadt und Land) ein sozialökonomisches Wesen, das dem Privateigentum entgegengesetzt war. Der Sache nach gilt hier, was Lenin im März 1921 wie folgt darlegte: "Wenn dieser Umsatz dem Staat im Austausch gegen Industrieerzeugnisse eine gewisse Mindestmenge Getreide beschafft, die zur Bedarfsdeckung der Stadt, der Fabriken, der Industrie ausreicht, dann wird der wirtschaftliche Umsatz so wiederhergestellt, daß die Staatsmacht in den Händen des Proletariats bleibt und sich festigt."Quelle!
    Hiermit hat Lenin mehr als nur ein grundlegendes Moment der "neuen ökonomischen Politik" erklärt. Noch bevor die Entwicklung der Ereignisse den Umweg über den "Kriegskommunismus" erzwang, bereits im Dezember 1917, betonte er: "Niemals werden die ausgleichende Bodennutzung und ähnliche Maßnahmen dem Sozialismus schaden, wenn die Macht in den Händen der Arbeiter- und Bauernregierung liegt, wenn die Arbeiterkontrolle durchgeführt, wenn die Nationalisierung der Banken durchgeführt, wenn ein oberstes Wirtschaftsorgan der Arbeiter und Bauern geschaffen ist, das die ganze Volkswirtschaft leitet (reguliert) usw."Quelle!
  2. Die Herstellung des Volkseigentums im Bereich der Industrie, deren Zweige allgemeiner Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau, Chemie, Kohle, Energie-, Brennstoff- und Baustofferzeugung u. a. m. für die Landwirtschaft erforderliche Vorleistungen produzieren, mußte ihre Ergänzung finden im Bereich des Handels. Mit der Gründung der Volkseigenen Erfassungs- und Aufkaufbetriebe am 29. März 1949 wurde der private Großhandel ausgeschaltet. Im November 1950 kam es unter aktiver Mitwirkung des proletarischen Staates zur Vereinigung der VdgB mit allen Dorfgenossenschaften zur VdgB (BHG), wozu Doernberg anmerkt: "Bereits 1945-1947 gab es Bestrebungen, die VdgB mit den Genossenschaften zu vereinigen. Da die Genossenschaften damals noch nach alter kapitalistischer Weise arbeiteten und in ihnen die Großbauern den entscheidenden Einfluß hatten, hätte eine solche Vereinigung nicht im Interesse der werktätigen Bauernschaft und der fortschrittlichen Entwicklung auf dem Lande gelegen. Selbst bei der am 20.11.1950 erfolgten Vereinigung der VdgB mit den Genossenschaften konnte dieser Gefahr nicht ganz entgangen werden. Die VdgB spielten daher auch nicht ganz die Rolle bei der sozialistischen Umgestaltung in der Landwirtschaft und der Erziehung eines sozialistischen Bewußtseins unter den Bauernmassen, die sie hätten spielen können und müssen. In den ersten Jahren ihres Bestehens kam ihnen dennoch eine große Bedeutung zu. Durch ihr Vorhandensein und durch die Hilfe der Arbeiterklasse gerieten die Neubauern weniger in Abhängigkeit kapitalistischer Kräfte." Quelle!
    Vollendet wurde das System der Handelsbeziehungen durch die Bildung der staatlichen Kreiskontore für landwirtschaftlichen Bedarf, welche die Versorgung der BHG übernahmen. Flankierend wurden auf der Basis des volkseigenen Sektors der Landwirtschaft, der seinerseits hauptsächlich aus solchen Gütern entwickelt wurde, die sich schon unter kapitalistischen Bedingungen im "öffentlichen Eigentum" befunden hatten, die Deutschen Saatguthandelsbetriebe sowie die Handelskontore für Zucht- und Nutzvieh geschaffen. Der volkseigene Sektor unserer Landwirtschaft hatte zwar eine relativ geringe Bedeutung für die unmittelbare Deckung des Bevölkerungsbedarfs an Nahrungsgütern, doch um so größer war seine Bedeutung in den Schlüsselbereichen der Sortenzucht.
    Innerhalb des volkseigenen Sektors der Landwirtschaft konnten sich Forschungs-, Lehr- und Versuchseinrichtungen der sozialistischen Großproduktion herausbilden.
    Man kann sagen, daß Ende 1951 die Beziehungen des Warenaustausches zwischen Industrie und Landwirtschaft sich fest in staatlicher Hand befanden. Dennoch, ein bestimmter Rest Warenaustausches zwischen Bauern und Produktionsmittel produzierenden Privatbetrieben dürfte im lokalen Rahmen für einige Zeit weiter bestanden haben. Zu denken ist hierbei an die örtliche Baustoffproduktion (Ziegeleien, Sägemühlen usw.) und die Produktion landwirtschaftlicher Geräte und entsprechender Ersatzteile, soweit diese noch in größeren Handwerksbetrieben bzw. kleineren kapitalistischen Produktionsstätten hergestellt wurden.
    Unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats kann sich die Subsumierung der zersplitterten privatbäuerlichen Landwirtschaft unter die beginnende sozialistische Entwicklung zunächst nur in der Form der Ware-Geld-Beziehungen verwirklichen. Für ihre volle Entfaltung müssen jedoch die folgenden Voraussetzungen gegeben sein:
    1. Die Bauernwirtschaften stehen bereits so weit auf dem Boden der Warenproduktion, daß ihr Selbstversorgungscharakter weitgehend in den Hintergrund getreten ist und daher industriell erzeugte Vorleistungen notwendig und in relativ großem Umfang in ihr Bruttoprodukt eingehen.
    2. Die volkseigene Industrie ist fähig, den Bedarf der privaten Bauernwirtschaften vollauf zu decken und die Entwicklung dieses Bedarfs durch Neuentwicklungen zu stimulieren.
    Sind diese Bedingungen nicht oder in zu geringem Maße gegeben, sind auch zwangswirtschaftliche Züge in den Beziehungen zwischen Arbeiterklasse und Bauernschaft unvermeidlich.
    Zu Beginn unserer sozialistischen Entwicklung, in den Jahren 1948/49 - 1951/52 waren die genannten Voraussetzungen für eine volle Wirksamkeit der Ware-Geld-Beziehung im Sinne einer durch die Macht der Arbeiterklasse kontrollierten Versorgung der nichtagrarischen Bevölkerung mit Lebensmitteln und der Industrie mit Rohstoffen kaum hinreichend entwickelt. Unter den komplizierten Bedingungen des volkswirtschaftlichen Wiederaufbaus entwickelte sich aus der Nachkriegswirtschaft heraus ein kombiniertes System von Erfassung und Aufkauf, dessen institutioneller Träger die erwähnten VEAB waren.

    Der Teil der Agrarprodukte, der über die VEAB in die Hände des Staates gelangte, teilt sich in Pflichtablieferungssoll und "freien Aufkauf". Das Ablieferungssoll, das in Menge und Zusammensetzung reglementiert war, gehörte insofern in den Bereich der Ware-Geld-Beziehungen, als daß die Landwirte einen Gegenwert in Geld bzw. geldmäßig ausgedrückten benötigten Waren (Brennstoffe, Futtermittel u. a. Dinge auf Bezugsscheine) erhielten. Zur Orientierung dienten hierbei die Großhandelspreise der Vorkriegszeit. Die Erfassungspreise lagen unter den ProduktionskostenVerweis!, wodurch in die Hände des sozialistischen Staates
    1. ein Teil der Grundrente und
    2. eine Art Naturalsteuer gelangten.
    Die Preise im freien Aufkauf waren gleichfalls Festpreise und lagen über den Produktionskosten, sodaß bei Übererfüllung des Ablieferungssolls die Naturalsteuer zum bäuerlichen Warenproduzenten zurückfließen konnte.
    Ablieferungspflicht und Festpreise bedeuteten einen Eingriff in die Realisierungsbedingungen des Privateigentums. Die an den Staat abzusetzenden Lebensmittel konnten nicht mehr auf dem Markt realisiert werden und auch keine Extragewinne erbringen. Aus der Tatsache, daß der Bauer als Privateigentümer eben auch Spekulant ist, erhellt, daß das System von Erfassung und Aufkauf nicht ohne außerökonomischen Zwang existieren konnte.
    Der außerökonomische Zwang ging weit über die Reglementierung der Realisierungsbedingungen des Privateigentums hinaus und reichte bis in den unmittelbaren Produktionsprozeß und seine inneren Proportionen hinein. Das geschah durch Anbau- und Viehhaltebescheid. Durch den Anbaubescheid wurden die Proportionen zwischen Getreide- und Hackfruchtanbau und der Umfang der Anbauflächen bestimmter Fruchtarten vorgeschrieben. "In dem Viehhaltebescheid ist angegeben, welcher Mindestbestand an Pferden, Rindern insgesamt, davon Kühe, Schweinen insgesamt, davon Sauen, Schafen insgesamt, davon Mutterschafe, Geflügel insgesamt, davon Legehennen über ein Jahr und Junghennen aus der Brut des gleichen Jahres am Jahresende zu erreichen ist." Quelle!
    Das System von Erfassung und Aufkauf war die früheste Form, in der die Landwirtschaft unter die sozialistische Planwirtschaft subsumiert wurde. Ökonomie des Sozialismus war freilich noch nicht voll durchsetzbar. Eine zentrale Vorgabe für das staatliche Aufkommen an landwirtschaftlichen Produkten wurde noch relativ schematisch aufgeteilt, zunächst auf die Bezirke, dann auf die Kreise und schließlich die Gemeinden, wo eine "Differenzierungskommission" die Sollzahlen auf die einzelnen privaten Bauernwirtschaften aufzuschlüsseln hatte. Seitens der Gemeinde bestand eine kollektive Ablieferungspflicht, für deren Gewährleistung der Bürgermeister die Verantwortung trug. Stimmten territoriale und zwischenbetriebliche Differenzierung nicht mit den örtlichen Gegebenheiten überein (Verteilung der Bodenfruchtbarkeit, der materiell-technischen Basis usw.) und waren sie nicht der Sozialstruktur angepaßt, mußte es zu ungerechtfertigter Verteilung der Gewinne und der Lasten kommen.
    Auf der beschriebenen Stufe der Subsumierung kommt es zu objektiv bedingten Interessenkonflikten auf verschiedenen Ebenen. E. Hahn hat die folgenden fixiert:
    1. zwischen dem einzelnen privaten Warenproduzenten und ihrer Gesamtheit als Gemeinde;
    2. zwischen den Klassen und sozialen Schichten innerhalb der Gemeinde und
    3. zwischen dem Einzelnen oder dem Kollektiv der Angehörigen einer Klasse oder Schicht innerhalb der Gemeinde bzw. dem Kollektiv Gemeinde auf der einen und der vom Arbeiter-und-Bauern-Staat vertretenen ganzen Gesellschaft auf der anderen Seite. Quelle!
    Durch den neuen Kontext, in dem sich das privatbäuerliche Eigentum zu bewegen hatte, wurde es in seiner erweiterten, tendenziell kapitalistischen Reproduktion beschränkt. Die im Austausch mit der Gesellschaft fixierten Festpreise verlangsamten insbesondere die soziale Differenzierung zwischen den Warenproduzenten, bewirkten sie doch in ihrer Staffelung nach Größengruppen der Wirtschaften ein gewisses Maß sozialer Sicherheit der schwächeren Betriebe.
    Indem ein Teil der Rente durch den sozialistischen Staat absorbiert wurde, ergab sich eine funktionelle Einschränkung des Privateigentums.
  3. Der Umstand, daß die Erzeugung der wichtigsten landwirtschaftlichen Produktionsinstrumente, insbesondere der landwirtschaftlichen Maschinen, und der Handel mit ihnen vom sozialistischen Volkseigentum beherrscht wurde, wirkte als zusätzlich bremsendes Moment auf die kapitalistische Differenzierung innerhalb der Waren produzierenden Bauernschaft; zudem mußte hieraus eine Verschärfung des Widerspruchs zwischen der Zersplitterung der Agrarproduktion und den modernen Produktivkräften resultieren. Indem die Landmaschinen nicht mehr an Privatpersonen verkauft, sondern in den MAS (ab 1953 MTS) als Stützpunkte der Arbeiterklasse konzentriert wurden, entstand ein bedeutendes Hindernis für die kapitalistische Lösung des Widerspruchs zwischen den modernen, von der Großindustrie und der Wissenschaft hervorgebrachten Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen einer isoliert betriebenen Kleinproduktion.
    Die MAS wurden im Frühjahr 1949 aus der VDGB herausgelöst und der Deutschen Wirtschaftskommission als zentraler Verwaltung des volkseigenen Sektors unterstellt.
  4. Durch Überführung des Finanzwesens (Banken, Versicherungsgesellschaften, Sparkassen) in Volkseigentum wurden a) ein Teil der Schulden der bäuerlichen Betriebe (insbesondere Hypotheken) in Verwaltung durch volkseigene Kreditinstitute übertragen, konnte b) die Vergabe von Krediten nun an Bedingungen wie volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit ihres Einsatzes, Kontrolle ihrer zweckgebundenen Verwendung, Sicherheiten, Rückzahlungsfristen u. a. gebunden werden, die als ökonomische Machtmittel einsetzbar waren (Oelßner schreibt, daß die kleinen Warenproduzenten von solchen Krediten "regen Gebrauch" machten).Quelle!
    Und es waren c) alle Betriebe mit einem Jahresumsatz von mehr als 20 000 DM verpflichtet, ein Bankkonto zu halten und ein vorgegebenes Bargeldlimit einzuhalten. Für die übergroße Mehrheit der bäuerlichen Betriebe war diese Regelung allerdings ohne Belang, da ihr kontrollierbarer Jahresumsatz weit unter 20 000 DM lag.
  5. Unter Führung der Partei der Arbeiterklasse wurde auch der politische und juristische Überbau in der Weise entwickelt, daß auch administrative und legislative Mittel zur Beschränkung der kapitalistischen Tendenz der privaten Warenproduktion zur Verfügung standen.
    Zu nennen sind:
    a) Anwendung rein fiskalischer Mittel. Durch eine Steuerpolitik, die im Interesse der Werktätigen differenzierte, wurde ein Teil des privatwirtschaftlichen Produkts abgeschöpft, der sich andernfalls hätte in Mehrwert verwandeln können. Am 01.12.1948 verkündete die DWK eine Steuerreform, wodurch die Steuern der Klein- und Mittelbauern herab und die der kapitalistischen Betriebe heraufgesetzt wurden. Allein die Grundsteuer lag danach je Hektar für Großbauern um 10 bis 20% und für kapitalistische Betriebe gar um 30 bis 40% über der der Mittelbauern.Quelle!
    Für die Differenzierung der Ablieferungspflicht wurde so orientiert, daß Großbauern je Hektar!!! Um 50 bis 60% über den Mittelbauern und die kapitalistischen Betriebe reinsten Wassers (also meist Betriebe über 50 ha) doppelt so hoch lagen.
    b) Nutzung des Notariats- und Katasterwesens. Dem Staat war es möglich, den sog. Grundstücksverkehr sowie Eigentumswechsel im Zusammenhang mit Vererbung, Verkauf oder Verschenkung zu kontrollieren, wodurch Konzentration und Zentralisation von Kapital auf diesem Wege verhindert werden konnte.
    c) Juristische Ausgestaltung der Interessen der Arbeiterklasse und der Bauern als Werktätige.Quelle!
    So wurde bereits in der antifaschistisch-demokratischen Phase unserer Revolution gesetzlich bestimmt, daß der Boden im Interesse der Volksernährung zu nutzen sei. Damit wurde dem Privateigentümer verwehrt, Ackerland zu spekulativen Zwecken brach zu legen. Zur Gewährleistung der Ablieferungspflicht stand ein abgestuftes Instrumentarium zur Verfügung, was von Aufforderung zu ordnungsgemäßer Wirtschaftsführung, Wirtschaftsüberwachung durch eine Aufsichtsperson über Wirtschaftsführung durch einen Treuhänder bis zu Zwangsverpachtung und Übernahme in staatliche Bewirtschaftung reichte.
    Im Zusammenhang mit der demokratischen Bodenreform wurden per Erlaß für mehr als ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökonomische Kategorien des Privateigentums wie Bodenpreis, Bodenpacht und Hypothekzins außer Kraft gesetzt. Der bei der demokratischen Bodenreform schuldenfrei übergebene Boden durfte weder Verpachtung, noch Erbteilung, Verkauf oder Belastung durch grundbuchamtlich einzutragende Verpflichtungen unterworfen werden.
    Eine weitere Regelung, die für die Entwicklung der privaten Landwirtschaft von Bedeutung war, ist das "Gesetz zum Schutz der Arbeitskraft der in der Landwirtschaft Beschäftigten" vom 12. Dezember 1949. d) Bewußte Ausgestaltung der politischen Machtorgane zur Kontrolle und Absicherung der planmäßigen Überwindung jeglicher Ausbeutung von Menschen und zur Gewährleistung des Bündnisses der Arbeiterklasse mit den werktätigen Bauern.

Dieses beschriebene System ökonomischer, politischer und juristischer Beziehungen zwischen zersplitterter privatbäuerlicher Landwirtschaft und volkseigener Großproduktion mit ihrem Überbau trug ganz entschieden Übergangscharakter. Es ist auf Dauer nicht möglich, das Privateigentum als Produktionsverhältnis fortzuschreiben, aber seine Konsequenzen, seine kapitalistische Tendenz, außer Kraft zu setzen. Entweder die private Warenproduktion wird überwunden, oder das gesamtgesellschaftliche Eigentum verliert an Dynamik, was schließlich zugunsten der Konterrevolution ausschlagen müßte.

Zu Beginn der fünfziger Jahre mehrten sich Anzeichen für eine Stagnation der privaten Landwirtschaft. Roland Hauk gibt für die Jahre 1946 - 51 eine durchschnittliche Jahreswachstumsrate der Bruttoproduktion der Landwirtschaft von 16% und für die folgenden Jahre nachstehende Werte an:

 

Wachstumsrate der Bruttoproduktion gegenüber dem Vorjahr (berechnet in Basispreisen 1950)Quelle!

Jahr:195119521953
Gesamte Volkswirtschaft: +21,9+11,2+ 8,4
Industrie: +22,715,8+11,4
Landwirtschaft: +19,9+ 0,1-0,6
 

Die Stagnation der Bruttoproduktion wirkte noch nicht unmittelbar auf die Gesellschaft, weil vorläufig noch eine Steigerung der Marktleistung stattfand durch relative Zunahme der Marktproduktion.

Ein Umstand, der mit der erwähnten Stagnation in ursächlichem Zusammenhang steht, ist der Arbeitskräfterückgang. Sein Tempo war, wie die nachstehenden Angaben belegen sollen, am größten vor dem genossenschaftlichen Zusammenschluß der Bauern und konnte ohne den Übergang zu einer höheren Produktionsweise auch nicht hinreichend durch Steigerung der Arbeitsproduktivität kompensiert werden, wodurch sich die Notwendigkeit einer Vergesellschaftung der Landwirtschaft verschärft geltend machte. Anmerkung!

 

Entwicklung der Anzahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft der DDR: Quelle!

Jahr:1950195519601965
Absoluter Stand (in tausend): 2304166112251142
Relativstand (1950 = 100): 100725350
 

Die Verringerung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte erwies sich unter den gegebenen Umständen als starkes Hindernis für die Reproduktion der kapitalistischen Elemente innerhalb der Bauernschaft. Schon die demokratische Bodenreform hatte in Richtung auf eine Verknappung von Lohnarbeitskräften gewirkt, indem sie Landarbeitern und landarmen Bauern zu ökonomischer Selbständigkeit verhalf. Der Aufbau der industriellen Basis des Sozialismus, die zunächst vor allem in den Städten geschaffen wurde, brachte einen Arbeitskräftesog mit sich, dem auch Knechte und Mägde sowie ausgebeutete Mitglieder von Bauernfamilien, insbesondere Jugendliche, folgten. Auch die Überwindung der schlimmsten Lebensmittelknappheit verringerte die Attraktivität der Landarbeit. Der Schutz der Interessen der Landarbeiter durch Staat und Gewerkschaft sowie seit 1952 die Möglichkeit einer sozial günstigeren Mitgliedschaft in den entstehenden LPG hatten zur Folge, daß zahlreiche kapitalistisch wirtschaftende Bauern ihren Betrieb nicht mehr in der alten Weise weiterführen konnten, da es ihnen an Lohnarbeitskräften mangelte. Auf der III. LPG-Konferenz führte Walter Ulbricht zahlreiche Gesuche von Großbauern an, die um Aufnahme in die LPG baten, was bis zu diesem Zeitpunkt versagt bleib. Der häufigste Grund, der angegeben wurde, bestand darin, daß der Bauer nicht mehr in der Lage war, seine Wirtschaft aufrecht zu erhalten.Anmerkung!

Obwohl die private Warenproduktion noch fortexistierte, war die Wirkung ihrer Gesetze durch den beginnenden sozialistischen Aufbau bereits beschränkt und modifiziert. Handel zu Festpreisen, Unterbindung der Bodenspekulation, Erschwerung der Ausbeutung von Lohnarbeitern, progressive Differenzierung der Steuern und der Pflichtablieferung, antikapitalistische Handhabung der Kredite und des Grundstückverkehrs wurden in ihrer diesbezüglichen Wirkung oben behandelt.

Die Tatsache, daß verschiedene Landwirte mit unterschiedlichem Erfolg in der Lage waren, ihre Wirtschaften zu entwickeln, bewirkte dennoch soziale Differenzierung. Insbesondere unter den Neubauern war das deutlich. Doch die Konsequenz dieser Differenzierung, die unter den Bedingungen ungehinderter privater Warenproduktion unvermeidlich Expropriation der Schwächeren bedeutet hätte, kam nicht zum tragen. Der Besitz der erfolglosen Bauern konnte nicht an kapitalkräftige Unternehmer fallen und diejenigen, die nicht mehr in der Lage waren, eine selbständige Wirtschaft zu betreiben, waren nicht gezwungen, sich in Abhängigkeitsverhältnissen von Großbauern zu begeben.

Aufschlußreich ist ein Vergleich der Betriebszählungen von 1950 und 1952 (s. Tab. S. 36). Die stärkste relative Abnahme der Betriebe ist in der Größengruppe 5 bis 10 ha zu verzeichnen. In absoluten Zahlen liegt das Maximum des Rückgangs in der Gruppe 1 bis 5 ha: von 198 738 Betrieben im Jahre 1950 um 18 305 auf 180 433. Es scheint mir gerechtfertigt, die Betriebe zwischen 1 und 10 ha LN als sozialökonomisch einheitliche Gruppe zu betrachten, wobei von kapitalistischen und proletarischen Nebenwirtschaften abgesehen wird, Die in einer Statistik, welche die Betriebe allein nach ihrer Wirtschaftsfläche differenziert, alten Traditionen folgend, falsch ausgewiesen werden.

Tabelle: Veränderungen in den Größengruppen landwirtschaftlicher Betriebe 1950 - 1952

Die ihrem Charakter nach mittelbäuerlichen Betriebe mit einer LN zwischen 1 und 10 ha waren offenkundig weniger lebensfähig als größere Betriebe (in den Größengruppen 10 - 20 und 20 - 50 ha war der Rückgang am geringsten); sie boten weniger soziale Sicherheit als die Nebenerwerbsbetriebe, die als einzige Kategorie zahlenmäßig zugenommen haben dürften, was in der Spalte "bis 1 ha" zum Ausdruck kommt.

Wenn wir die Größengruppen nach ihrem relativen Rückgang ordnen, folgen die Betriebe über 50 ha nach denen zwischen 1 und 5 ha an zweiter Stelle. Von 4253 im Jahre 1950 gingen sie zurück auf 3853 1952. Als eindeutig kapitalistische Betriebe kamen sie mit der eingeschlagenen gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR am ehesten in Konflikt. Verknappung ausbeutbarer Landarbeiter, doppelt so hohe Ablieferungspflicht je Hektar im Vergleich zu den kleinbäuerlichen Betrieben, starker Hang zu Spekulationsgeschäften und subversiver Tätigkeit wirkten dahin, daß die Wirtschaften verwahrlosten, ihre Besitzer sich nach Westen absetzten bzw. straffällig wurden. Die Auflösung von Privatbetrieben über 50 ha war Ergebnis des Klassenkampfes und löste die Bildung Örtlicher Landwirtschaftsbetriebe (ÖLB) aus.

Rückläufige Betriebszahl kann einher gehen mit steigender Produktion und Produktivität, wenn sie mit Konzentration und Zentralisation von Produktionsmitteln verbunden ist. Die Landwirtschaft kam an den Scheideweg: kapitalistische oder sozialistische Vergesellschaftung. Die Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften bewahrte die kleineren und weniger erfolgreichen Warenproduzenten vor der Expropriation. Mindestens bis 1957 ist dieser Zusammenhang der Widersprüche der privaten Warenproduktion unter sozialistischen Rahmenbedingungen nachweisbar, wie die von Roland Hauk berechneten Angaben belegen.

 

Bruttoproduktion, Marktproduktion und Geldeinkünfte je ha LN derjenigen einzelbäuerlichen Betriebe, die im folgenden Jahr der LPG beitraten im Verhältnis zu allen Einzelbauern der jeweiligen Größengruppe (Gruppendurchschnitt = 100)

Größengruppe: 1 - 5 ha 5 - 10 ha 10 - 20 ha über 20 ha
Im Jahr: 19561957 19561957 19561957 19561957
Bruttoproduktion: 81,9101,7 91,096,5 91,494,8 85,191,6
Marktproduktion: 78,2109,0 88,5103,3 88,693,6 81,291,5
Geldeinkünfte: 37,4105,7 92,588,4 87,785,1 27,175,7

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