2. Die Veränderung der Eigentumsverhältnisse durch den genossenschaftlichen Zusammenschluß - die Subsumierung der vorgefundenen Produktionsbedingungen unter die Eigentumsverhältnisse des Sozialismus

Der 1951 erreichte Stand der Entwicklung der Beziehungen zwischen volkseigener Großproduktion und bäuerlicher Landwirtschaft gewährleistete,

  1. daß die objektiv notwendige Konzentration und Zentralisation der Produktionsmittel nicht auf dem Wege der Expropriation der kleinen Warenproduzenten, ihrer Verwandlung in Landarbeiter und der Verselbständigung des Eigentums ihnen gegenüber erfolgen mußte, was die kapitalistische Lösung des Widerspruchs zwischen industrieller Großproduktion und zersplitterter Agrarproduktion darstellt, sondern auf dem Wege des genossenschaftlichen Zusammenschlusses;
  2. daß die Interessen der Genossenschaften sich realisierten im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Interessen, also in Übereinstimmung mit den Interessen der Arbeiterklasse und auf der Basis einer gesamtgesellschaftlichen Planung und Leitung der Volkswirtschaft;
  3. daß es den Genossenschaften als Ganzes unmöglich ist, fremde Arbeitskraft auszubeuten und
  4. Daß sich innerhalb der Genossenschaften keine Ausbeutungsverhältnisse reproduzieren konnten.

Die Verwandlung privater Warenproduzenten aus betrieblichen Gesamtarbeitern in genossenschaftliche Teilarbeiter sowie aus Privateigentümern in Glieder eines kollektiven Eigentümers - das ist ein vielschichtiger Vorgang, dessen verschiedene Komponenten sich sehr verschieden gestalten, weshalb im folgenden so verfahren werden soll, daß die verschiedenen zu vergesellschaftenden Produktionsbedingungen nacheinander betrachtet werden, um das Ganze der entstehenden Eigentumsverhältnisse zu erfassen.

2. 1. Subsumierung des Ackerlandes unter das genossenschaftliche Eigentumsverhältnis

Im Jahre 1950 betrug die landwirtschaftliche Nutzfläche der DDR 6 528 371 ha. Davon befanden sich in Privateigentum der Bauern 6 157 031 ha. 2 190 000 ha waren Bodenreformland, konnten sich also schon nicht mehr in eine Ware verwandeln, weshalb W. Schmidt von "Privateigentum am Boden besonderer Art"Quelle! spricht.

Eine ideologische Gegebenheit, die aus der Geschichte der deutschen Agrarverhältnisse resultiert und die von der SED stets in ihrer Agrarpolitik berücksichtigt wurde, war der bäuerliche Eigentumsfanatismus. Dieser ergab sich nicht so sehr daraus, daß der Boden als monopolisierte Naturkraft in den Händen der Bauern ihnen eine Quelle von Grundrente war. Diese wurde durch das Industrie-, das Finanz-, das Handels- und das Agrarkapital mehr als absorbiert.

Das Privateigentum am Boden war für die deutsche Bauernschaft eine soziale Sicherheit gegen die Entwurzelung, wie sie durch das Vordringen des Kapitalismus in der Landwirtschaft bewirkt wurde. "Die Schwierigkeiten, die mit der Erhaltung der eigenen Wirtschaft verbunden waren, haben dazu beigetragen, die starke Verbundenheit der Bauern mit dem Boden als ihrem Eigentum zu festigen. In der gleichen Richtung wirkte die Tatsache, daß der Boden für die Bauern die hauptsächliche Grundlage für ihre oftmals bescheidene Existenz war. Selbst diejenigen Bauern, die bereits als Lohnarbeiter in kapitalistischen Betrieben einen anderen Verdienst suchten, betrachteten ihr Stückchen Land als einen gewissen Rückhalt gegen die soziale Unsicherheit. Als Ergebnis dieser ganzen Entwicklung entstand und festigte sich der Eigentumsfanatismus."Quelle!
Das mußte die Verhältnisse des Übergangs zur sozialistischen Großproduktion mitprägen.

Der Übergang von der individuellen Bodennutzung auf private Rechnung zur kollektiven Bodennutzung auf genossenschaftliche Rechnung ist die Basis der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Die Einbringung des bäuerlichen Privatboden in den genossenschaftlichen Bodenfonds bildet die wichtigste materielle Voraussetzung genossenschaftlicher Arbeit. Weil der Boden aber als Privateigentum der Produzenten, die sich zur Genossenschaft zusammenschlossen, eingebracht wurde, existierte dieses Privateigentum juristisch fort, obwohl der Boden aufgehört hat, Produktionsmittel in privatwirtschaftlichem Produktionsprozeß zu sein. Diese Tatsache, die einen schrittweisen, freiwilligen und für die Bauern als Bauern vollziehbaren Übergang zur Großproduktion erleichterte, schuf zugleich damit eine widersprüchliche Situation, deren theoretische Erfassung an dieser Stelle versucht werden soll.

Für den JuristenVerweis!  stellt es sich so dar, daß der Boden als Eigentumsobjekt zu unterscheiden sei vom Boden als Wirtschaftsobjekt. In der einen Funktion (Eigentum) sei er privat und in der anderen (Arbeit) gesellschaftlich. Dabei sei das Eigentumsrecht (Privatrecht) dem Wirtschaftsrecht untergeordnet, was zum Beispiel in der "Abstockung" der Großbauernwirtschaften bei deren Beitritt zur LPG zum Ausdruck kommt.

Ein praktisches Problem bei der Gestaltung dieser Beziehung von Nutzungs- und Eigentumsrecht ergibt sich, wenn die Genossenschaft beginnt, auf dem privateigentümlichen Boden, der sich im genossenschaftlichen Bodenfonds befindet, Wirtschaftsgebäude zu errichten. Nach bürgerlichem Eigentumsrecht könnte der Privateigentümer nun intervenieren. Auf dieses Problem mußte Paul Scholz als stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates noch auf der VI. LPG-Konferenz im Februar 1959 eingehen. Er stellte dort fest: "Hier gab es bisher vielfach Unklarheiten, die u. a. beispielsweise dazu führten, daß manche LPG ihre Bauten nicht dort errichten konnte, wo sie es für am zweckmäßigsten hielt, weil der Bodeneigentümer nicht damit einverstanden war." Quelle!
Es käme nun darauf an, so wurde gefolgert, das Nutzungsrecht der LPG voll zu gewährleisten, ohne das Eigentumsrecht der Mitglieder zu schmälern.

Aber lassen sich Privateigentum und sozialistische Großproduktion auf diese Weise harmonisieren? An dieser Stelle ist es nötig, die ökonomische Grundlage des juristisch sanktionierten Privateigentums zu erörtern.

Indem der Boden aufgehört hat, sich im Prozeß privatwirtschaftlicher Aneignung zu befinden, ist damit die ökonomische Beziehung des Privateigentümers zu einem bestimmten Bodenstück aufgehoben. An die Stelle des bestimmten Grund und Bodens ist irreversibel ein äquivalent getreten, das selbst noch Boden sein kann, solange ein Wiederaufleben der privaten Warenproduktion mit dem Austritt oder Ausschluß eines Mitgliedes möglich ist. Hier nun müssen wir die erste "Schmälerung des Eigentumsrechts", die vom übergeordneten "Nutzungsrecht" der Genossenschaft bewirkt wird, konstatieren: Das ausscheidende Mitglied konnte nur noch Anspruch auf ein dem eingebrachten Boden gleichwertiges Flächenstück am Rande der genossenschaftlichen Flur geltend machen, wodurch ein Zerreißen der genossenschaftlich genutzten Felder verhindert werden konnte. Der Ökonom konstatiert nüchtern: "Die eintretenden Mitglieder haben ... die Verfügung über den Boden an die LPG übertragen. Aus dem Grundeigentum an einer ganz bestimmten Fläche wurde das Eigentum an einem Bodenanteil (von bestimmter Größe und bestimmter Bodenqualität)" Quelle!

Welche Rolle spielt dieses Äquivalent nun in den Produktionsverhältnissen der LPG?

Mit dem Jahr 1954 und unter dem Gesichtspunkt der verstärkten Gewinnung von Klein- und Mittelbauern für den Beitritt zu den LPG gingen die Genossenschaften dazu über, einen Teil ihres Reineinkommens entsprechend der Menge des eingebrachten Bodens zu verteilen. Die ökonomische Deutung dieser Verteilung erwies sich als schwierig. Handelte es sich dabei um eine Art Bodenrente? R. Hauk ging z.B. davon aus, daß unter Rente die Form der Realisierung eines bestimmten Typs von Grundeigentum zu verstehen ist und präzisierte das dahin, "daß die Bodenrente in den LPG keine Realisierung eines Preisaufschlags über die gesellschaftlichen Produktionskosten darstellt, sondern die Realisierung eines entsprechenden Abzugs von den sonst zur Vergütung der Arbeit der LPG-Mitglieder vorhandenen Einkünfte. Die Bodenrente in den LPG ist daher kein Bestandteil des Produkts für die Gesellschaft, sondern ein Bestandteil des Produkts, das die Bauern für sich, für den persönlichen Verbrauch schaffen." Quelle!

Der Versuch, die "Bodenanteile" als eine Art Rente zu bestimmen, hat für sich, daß damit auf die Fixierung eines Produktionsverhältnisses gezielt wird. Die Klärung dieses Problems ist jedoch unlöslich mit einer anderen Frage verbunden: Handelt es sich um einen Bestandteil des notwendigen oder des Mehrprodukts, wenn die Bodenanteile realisiert werden? R. Müller antwortet auf diese Frage in Polemik mit W. Schmidt: "In den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften existiert das private Grundeigentum und wird in Gestalt der Bodenanteile realisiert. Das Gemeinsame der verschiedenen Rentenformen, privates Grundeigentum und seine Realisierung, ist in den LPG gegeben. Die Bodenanteile sind demnach eine spezifische Form der Rente. Damit ist nicht gesagt, daß sie eine kapitalistische oder vorkapitalistische Form der Rente sind, die Feststellung, daß die Bodenanteile eine Form der Rente sind, widerspricht nicht der Auffassung von Marx, wonach alle Grundrente Mehrwert, Produkt von Mehrarbeit ist. Natürlich gibt es in den LPG keinen Mehrwert, wohl aber ein genossenschaftliches Mehrprodukt. Die Bodenanteile sind auch nicht ein Teil des Mehrwertes, sondern ein Teil des genossenschaftlichen Mehrproduktes bzw. der entsprechenden Wertgröße." Quelle!

Die Klärung des ökonomischen Wesens der Bodenanteile war von Bedeutung für eine wissenschaftliche Bestimmung der Proportionen, nach denen die Verteilung des genossenschaftlichen Reineinkommens, soweit es an die Mitglieder auszuzahlen war, in Einkommen aus der Arbeitsleistung und nach eingebrachten Produktionsmitteln (insbesondere Bodenanteil) zu erfolgen hatte. Daraus mußte sich des weiteren ergeben, welchen Fonds die auf genossenschaftlich genutztes Staatsland berechneten Bodenanteile zuzuführen seien; sollten diese Gelder überwiegend zur Hebung des "Wertes" der Arbeitseinheiten dienen, oder sollten sie den Grundmittelfonds als Akkumulationsmittel zufließen?, wofür Müller plädierte.

1955 waren noch 53,5 % der gesamten Nutzfläche aller LPG StaatslandQuelle!, das zur kostenlosen Nutzung übergeben worden war. R. Müller führt einige Beispiele der folgenden Art an: Von den 1961 in der LPG Minsleben auf Staatsland berechneten 15 564 DM flossen nur 3113 DM in den Akkumulationsfonds, wohingegen 12 451 DM der Auszahlung von Arbeitseinheiten zugute kamen, die mit 10,45 DM recht hoch bewertet wurden.

Die Lösung des theoretischen Problems wurde durch verschiedene Momente stark erschwert, wenn nicht gar verhindert.

  1. Handelt es sich um Übergangsverhältnisse, in denen Privateigentum und gesellschaftliches Eigentum auf vielfältigste Weise einander durchdringen, überlagern und ergänzen. Dort z.B., wo staatliche Subventionierung zur Stützung der Arbeitseinheiten kassiert, aber gleichzeitig Bodenanteile ausgezahlt wurden, konnte durchaus ein Teil gesellschaftlicher, außerhalb der Genossenschaft verausgabter Arbeit durch die privaten Bodeneigentümer angeeignet werden, also eine Art absoluter Grundrente hinzutreten. Ferner: Dort, wo ein hohes Einkommen der Genossenschaftsmitglieder aus der individuellen Viehwirtschaft stammte, konnte über die Verrechnung der Bodenanteile in Futtermitteln ein Teil des genossenschaftlichen Bruttoprodukts unentgeltlich der privaten Warenproduktion einverleibt werden.
  2. Ihre größte Bedeutung hatte die Verteilung nach eingebrachtem Boden bzw. gutgeschriebenen Bodenanteilen als die Produktionsverhältnisse in den LPG noch unentwickelt waren, von wirtschaftlicher Rechnungsführung nicht oder kaum gesprochen werden konnte und die Genossenschaften überwiegend nicht rentabel wirtschafteten. Unter solchen Umständen ist es geradezu unmöglich, Kategorien wie notwendiges und Mehrprodukt anzuwenden bzw. die ihnen entsprechenden Wertgrößen zu fixieren.
  3. Die Berechnung von Bodenanteilen wurde sehr differenziert gehandhabt, und ihre Grundlagen waren oft sehr provisorisch und ungenau. In einem Teil der LPG wurde nur das eingebrachte Ackerland und in anderen die gesamte Betriebsfläche zugrunde gelegt. Nur ein Teil der Genossenschaften brachte Bodenwertzahlen in Anschlag. R. Hauk gibt an, daß 1955 von 12 untersuchten LPG nur 3 die Bodenwertzahlen berücksichtigten. Quelle!
    Der Kulturzustand der eingebrachten Ländereien wurde praktisch gar nicht berücksichtigt.

Die Wurzeln der genossenschaftlichen Bodenrente - dieser Begriff sei hier im Sinne von Hauk und Müller gestattet - liegen nicht in der genossenschaftlichen Produktion, sondern in ihrer Vor- und Entstehungsgeschichte. Die Differenzierung des "Rentals" innerhalb der Genossenschaften hing nicht ab von gegenwärtigen, sondern von vergangenen Umständen. Wer 18 ha in die Genossenschaft einbrachte, erhält den dreifachen Betrag ausgezahlt im Verhältnis zu demjenigen, der Hinsicht wichtig, daß weder Staat noch Genossenschaft Verpflichtungen der Privateigentümer aus der zeit vor ihrem Beitritt zur Genossenschaft übernahmen. Das betrifft Schuldverschreibungen ebenso wie Altenteilszahlungen. Solange der Staat die ehemaligen Einzelbauern als Privateigentümer behandelt, haben diese auch eine Grundsteuer zu entrichten und müssen demzufolge auch Bodenanteile durch die Genossenschaft gezahlt werden. So wurden frühere Verhältnisse des Privateigentums in die Genossenschaft hineinprojiziert.

In dem Bodenteil, welcher LPG-Mitgliedern, die ohne Land in die Genossenschaft eingetreten sind, kommt das Wesen des privaten Bodeneigentums in der LPG vielleicht am klarsten zum Ausdruck. Dieses Grundeigentum wird weder vermessen noch im Kataster eingetragen, unterliegt also auch keiner Steuerpflicht. Hier erscheint das Privateigentum am Boden als das, was es ist: ein Anteil am Reichtum der Genossenschaft. Nicht mehr als dieser Anspruch auf Gewinnbeteiligung bzw. Beteiligung am genossenschaftlichen Einkommen kann vererbt, verkauft oder verschenkt werden mit allen finanziellen Belastungen, und dieses Bodenäquivalent kann sogar selbst hypothekarisch belastet werden. Doch alle diese Operationen beziehen sich immer nur auf das Bodenäquivalent, nie auf den Boden selbst, der im Fonds der LPG verbleibt. Wenn genossenschaftlich genutztes Ackerland zum Zwecke anderweitiger gesellschaftlicher Nutzung abgetreten werden muß, entsteht demnach auch kein bestimmter ökonomischer Nachteil des Privateigentümers, der das infragekommende Bodenstück einbrachte; er ist demzufolge auch nicht zu entschädigen. Sein Bodenanteil bleibt erhalten, denn er ist ja nur noch ein Äquivalent und nicht mehr Produktionsbedingung in einem isolierten Aneignungsprozeß. Beeinträchtigt wird hingegen der kollektive Aneignungsprozeß; daher wird eine staatliche Entschädigung für den entzogenen Boden an die Genossenschaft gezahlt.

Der Charakter der Bodenrente in den LPG muß in der Entwicklung begriffen werden, der er unterliegt. Eine klar ökonomisch bestimmte Funktion hatte die Bodenrente in den LPG Typ I und II, wo sie zwischen zwei verschiedenen Aneignungsweisen vermittelte, nämlich der genossenschaftlichen im Feldbau und der privatbäuerlichen in der Viehwirtschaft. Die privat bewirtschafteten Viehbestände basierten im wesentlichen auf wirtschaftseigener Futterfläche, die mit dem genossenschaftlichen Zusammenschluß aber zu einem bestimmten Teil in den genossenschaftlichen Bodenfonds eingegangen ist. An die Stelle der Futterproduktion mit familieneigener Arbeit auf separater Betriebsfläche ist eine Futterproduktion getreten, in der auf genossenschaftlicher Fläche die Arbeit des kollektiven Gesamtarbeiters verausgabt wird - jedenfalls so weit, wie die Futterproduktion nicht nach wie vor auf individuell genutztem Grünland beruht.

Ein Teil der genossenschaftlich verausgabten Arbeit wird auf dieser Stufe der Vergesellschaftung privat angeeignet. Ursache hierfür ist aber nicht die Fortexistenz des Privateigentums an Boden, sondern das Weiterbestehen des Privateigentums im Bereich der tierischen Produktion. Bei der Verteilung von Futtermitteln nach dem Proporz der eingebrachten Bodenmenge mußten sich die Mängel äußern, die wir oben in der Berechung der Bodenanteile festgestellt haben. Weil eine Differenzierung nach Bodenfruchtbarkeit und Kulturzustand, also letztlich nach dem realen Ertrag der eingebrachten Flächen nicht oder kaum vorgenommen wurde, entsprachen die auf dieser Grundlage verteilten Futtermengen zwar den Größenverhältnissen der eingebrachten Bodenstücke, nicht aber ihrer tatsächlichen Produktivität, auf der ja der innerhalb einer Gemeinde stark differenzierende Viehbesatz der einzelnen individuellen Wirtschaften beruhte. Das mußte sich als produktionshemmende Gleichmacherei äußern, der die LPG entgegenzuwirken suchten, indem sie andere Kriterien der Verteilung entwickelten, deren Fixpunkt die tatsächliche Marktleistung der individuellen Wirtschaften war.

In den LPG Typ III hatte die genossenschaftliche Bodenrente nicht mehr die Funktion der Vermittlung zwischen Produktionsbereichen, die im unterschiedlichen Maß vergesellschaftet sind. Hier reduziert sie sich auf die oben ausgeführte Bedeutung einer Vermittlung zwischen Vergangenheit und Zukunft der werktätigen Bauernschaft in der DDR. Angaben über den quantitativen Unterschied der Bodenrente in den verschiedenen Typen der LPG liegen aus der Mitte der Sechziger Jahre vor.

Für die Typen I und II wird ein DDR-Durchschnitt von 230-300 MDN je ha und für den Typ III von 25-35 MDN angegeben. Quelle!

Damit wird zugleich deutlich, daß die Festlegung in den 1959 verabschiedeten Musterstatuten mindestens in den LPG Typ III nicht mehr voll ausgeschöpft wurde. Die Musterstatuten sahen vor, daß im Typ I und II mindestens 70 % der zur Verteilung an die Mitglieder gelangenden Mittel für geleistete Arbeitseinheiten und höchstens 30 % für Bodenanteile zu gewähren sind. Quelle!
Für Typ III war eine Orientierungsproportion von 80 zu 20 vorgesehen. Quelle!

Es ist unumstritten, daß die Quelle der Bodenrente die genossenschaftliche Arbeit ist. Aber in welchem quantitativen und vor allem in welchem qualitativen Verhältnis stehen genossenschaftliche Arbeit und Rental zueinander? Die Antwort auf diese Frage muß auch ein wichtiges Moment der Produktionsverhältnisse innerhalb der Genossenschaften erhellen.

Hypothetisch können drei Verteilungsweisen des Produkts der genossenschaftlichen Arbeit betrachtet werden. Der Teil des genossenschaftlichen Reineinkommens, der zur Aufteilung kommt, könnte

  1. nach der Menge des eingebrachten Bodens,
  2. nach der erbrachten Arbeitsleistung und
  3. einfach gleichmäßig auf alle Mitglieder
verteilt werden.

Die dritte, gleichmacherische Variante scheidet aus, weil sie völlig von den konkreten Gestalten von Arbeit und Eigentum in der sozialistischen Produktion abstrahiert. Sie ist ungeeignet zur Vermittlung realer Eigentumsverhältnisse der genossenschaftlich-sozialistischen Produktion. In Variante 2 als der rein sozialistischen Verteilungsweise wird abstrahiert

  1. 1. von der Existenz eines Produktionsbereiches, in dem das Privateigentum weiter existiert, also von der individuellen Großviehhaltung und
  2. von den historischen Ausgangsbedingungen der LPG, die ja im wesentlichen aus dem Zusammenschluß privater Grundeigentümer hervorgingen.

Walter Schmidt argumentiert m. E. ungenau, wenn er ausführt, daß der Genossenschaftsbauer in dem Fall, der bei mir als Variante 1 fungiert, das Einkommen nicht in seiner Eigenschaft als Privateigentümer von Boden erhielte. "Er könnte nur Geld und Naturalien in Empfang nehmen", so Schmidt, "weil er sie mitproduziert. Er erhielte sie in seiner Eigenschaft als unmittelbarer Produzent, als Genossenschaftsbauer, und niemals als Grundeigentümer." Quelle!
Schmidt selbst führt ein umfangreiches Tatsachenmaterial an, das diese Sicht in Frage stellt. Quelle!
Trotz einer juristisch sanktionierten Pflicht zur Teilnahme an der genossenschaftlichen Arbeit für alle Mitglieder wurden bei ungleichmäßiger Verteilung des Grundeigentums unter den Genossenschaftsbauern die meisten Arbeitseinheiten von den Familien der ehemaligen Kleinbauern und Landarbeiter geleistet. Zwar war und ist die Höhe der genossenschaftlichen Bodenrente abhängig von den Ergebnissen der genossenschaftlichen Arbeit, dennoch resultiert daraus keineswegs ein materieller Zwang zur eigenen Teilnahme an der genossenschaftlichen Arbeit, wenn die Einkünfte aus dem Bodenbesitztitel und der individuellen Tierhaltung so hoch sind, daß sie die Existenz der betreffenden Bauern hinreichend sichern.

Die Einbeziehung ehemaliger Einzelbauern mit großem Bodeneigentum und bedeutenden Viehbeständen war nicht ohne beharrliches Ringen in erforderlichem Umfang zu gewährleisten. Die konkrete Festlegung der Höhe der Bodenrente ist abhängig vom ökonomischen und politischen Kräfteverhältnis zwischen den ehemaligen Kleinbauern, Land- und Industriearbeitern auf der einen und den ehemaligen Mittelbauern + auf Mittelbauernmaß "abgestockten" Großbauern auf der anderen Seite. W. Schmidt führt ein Beispiel an, bei dem der Wert einer geleisteten Arbeitseinheit 8,45 DM betrug. Würde die Verteilung nach Bodenanteilen ganz entfallen, betrüge die gleiche Arbeitseinheit 10,34 DM. Quelle!

Die tatsächliche Höhe der Bodenrente entsteht in Ausgleichung der Interessen von Bodeneigentümern und Produzenten als Kompromiß zwischen Grundeigentum und Arbeit, die hier in den sozialen Gruppen ehemaliger Halbproletarier und ehemaliger Privateigentümer von größeren Bodenstücken Gestalt annehmen. Dieser Kompromiß drückt aus, wie groß der Teil genossenschaftlicher Arbeit ist, der vom privaten Grundeigentum unentgeltlich angeeignet wird.

Konstruieren wir ein Beispiel für Variante 1. Nehmen wir an, der Boden konzentriere sich als Privateigentum in den Händen eines Drittels der Genossenschaftsmitglieder. Die übrigen Mitglieder hätten nach Variante 1 keinen Anspruch auf irgendwelches Einkommen aus der genossenschaftlichen Produktion. Sie müßten an dieser Produktion gratis teilnehmen. Damit aber das Einkommen aus dem Grundeigentum reproduziert werden kann, muß das Eigentum seine andere Seite setzen, die Arbeit. Arbeit ohne Reproduktion des Arbeitsvermögens gibt es nicht. Unsere hypothetischen Bodeneigentümer müßten daher den eigentumslosen Mitgliedern ein Mindesteinkommen zugestehen, das zur Reproduktion der Arbeitskraft hinreicht. Was hier beschrieben wurde, ist natürlich reiner Kapitalismus. In der Einheit von Produzent und Eigentümer, wie sie der kapitalistische Reproduktionsprozeß vermittelt, erkennen wir aber ganz deutlich die beiden ökonomischen Funktionen Arbeit und Eigentum, die Figuren Arbeiter und Produktionsmitteleigentümer in ihrem antagonistischen Gegensatz.

Die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften sind ihrem Wesen nach das Ergebnis des freiwilligen und selbsttätigen Zusammenschlusses privater Warenproduzenten, die in sich die Funktionen Arbeiter und Produktionsmitteleigentümer vereinigen, wenngleich auch zunächst in ungleichmäßigen Proportionen. Das grundlegende Produktionsverhältnis der genossenschaftlich-sozialistischen Produktionsweise, ihr Eigentumsverhältnis, besteht in der Beziehung von genossenschaftlichem Gesamtarbeiter und kollektivem Eigentümer aufeinander. Die Identität beider wird durch die Meisterung des genossenschaftlichen Reproduktionsprozesses als Ganzes hergestellt; dem entspricht eine angemessene Organisation von Arbeit und Aneignung, womit wir uns unter 3. systematisch beschäftigen werden, Das grundlegende Produktionsverhältnis, das Eigentumsverhältnis der genossenschaftlichen Produktion, realisiert sich u. a. in der genossenschaftlichen Aneignung des Bodens. Wenn die genossenschaftliche Aneignung des Bodens nicht das primäre Verhältnis gegenüber der Realisierung einer Bodenrente der ehemaligen Einzelbauern wäre, gäbe es keine genossenschaftliche Produktion. R. Müller schreibt daher mit vollem Recht: "In ihrem Verhältnis zum Boden als Produktionsmittel unterscheiden sich die Genossenschaftsbauern nicht von den Kolchosbauern in der Sowjetunion, wo der Boden nationalisiert ist." Quelle!

Was die ökonomische Herkunft des Bodens und ihre Fortschreibung in den Bodenanteilen bewirken, ist lediglich eine Modifikation des grundlegenden Produktionsverhältnisses der genossenschaftlichen Produktion. Diese Modifikation bedeutet partielle Reproduktion der sozialen Differenziertheit, wie sie vor dem genossenschaftlichen Zusammenschluß entstanden ist. Nehmen wir an, alle Mitglieder der Genossenschaft hätten das gleiche Quantum Boden und dazu ihre gesamten Tierbestände in die Genossenschaft eingebracht. In diesem Fall würde sich die Bodenrente gleichmäßig auf alle Mitglieder verteilen. Die Bodenrente wäre auch dann eine Verteilung unabhängig von der individuellen Arbeitsleistung, nun aber analog unserer gleichmacherischen Variante 3.

In der Bestimmung der Proportionen zwischen individuellem Einkommen aus der Teilnahme an der genossenschaftlichen Arbeit und individuellem Einkommen aus dem Privateigentum kommt die Subsumierung der Produktionsverhältnisse in der Landwirtschaft unter die sozialistische Entwicklung, kommt das Bündnis der Genossenschaftsbauern mit der Arbeiterklasse, kommt das reale Kräfteverhältnis zwischen Sozialismus und Privateigentum zum tragen. Die Begrenzung der Bodenrente entspricht den Interessen der Bauern als Werktätige und geht aus von den Bedürfnissen einer dynamischen Entwicklung der sozialistischen Produktionsweise. Die Bodenrente durfte nicht zu niedrig sein, damit sie als Mittel zur Einbeziehung der Masse der Mittelbauern in die genossenschaftliche Entwicklung tauglich blieb. Und sie durfte nicht zu hoch sein, damit die Arbeit der Mitglieder mit geringem oder gar keinem Bodenanteil nicht unter das Privateigentum der Bodeneigentümer subsumiert wurde und die Genossenschaft kapitalistische Gestalt annehmen konnte. Der Boden als Produktionsmittel ist Vermittler einer historisch bestimmten Einheit von Arbeiter und Eigentümer. Die Konzeption, derzufolge der Boden als Eigentumsobjekt Privateigentum der Genossenschaftsbauern bleibt, während er als Wirtschaftsobjekt genossenschaftlich genutzt wird, ist grundsätzlich ungeeignet, die realen Verhältnisse des Übergangs von der privatbäuerlichen zur genossenschaftlich-sozialistischen Agrarproduktion dialektisch zu erfassen. In dieser Konzeption bilden Arbeit und Eigentum einen Dualismus. Vom Boden als Eigentum erfahren wir nur, daß er Privateigentum sei, und von der Arbeit wissen wir, daß sie genossenschaftlich verausgabt wird und in ihr der Boden als Produktionsmittel genossenschaftlich genutzt wird. In konsequenter Durchführung liefe das darauf hinaus, daß die genossenschaftlich verausgabte Feldarbeit privat angeeignet würde, was nur in dem Maße tatsächlich geschieht, wie sich Privateigentum noch ökonomisch realisiert. Die Entwicklung der genossenschaftlichen Bodenrente zeigt aber deutlich, daß das Privateigentum am Boden ein verschwindendes, ein subsumiertes Produktionsverhältnis ist, daß der Boden mit dem Übergang zur genossenschaftlich-sozialistischen Produktion aufhört, eine durch Privatpersonen monopolisierte Naturkraft zu sein, daß sich die Produktionsverhältnisse der privaten Aneignung nicht mehr auf realen Boden, sondern auf dessen Äquivalent beziehen. Sobald genossenschaftliche Akkumulation auf der Basis der Feldwirtschaft stattfindet, entfaltet das Bodeneigentum seinen tatsächlichen Charakter als genossenschaftliches Eigentum.

Die hier entwickelte Auffassung läßt sich in folgenden Worten von R. Müller resümieren: "Der Bodenfonds der LPG als genossenschaftlich-sozialistisches Eigentum, das von den Mitgliedern der LPG gemeinsam genutzt wird, steht im Widerspruch zum Charakter eines Teiles des Bodenfonds als privates Eigentum, das von den Grundeigentümern in Gestalt der Bodenanteile realisiert wird. Der Bodenfonds der LPG ist daher zwiespältig." Quelle!

Genossenschaftliche Aneignung des Bodens beginnt unter vorgefundenen produktivkraftmäßigen Voraussetzungen. Die vorausgegangene privatbäuerliche Aneignung hat dem Produktionsmittel Boden eine Gestalt verliehen, die einen unmittelbaren Übergang zur Großproduktion erschweren müßte. Die privatbäuerliche Produktionsweise hatte der Zergliederung des Bodens durch natürliche Gegebenheiten wie ungleichmäßige Verteilung der Bodenqualitäten, Hügel, Senken, Flüsse, Seen, Moore, Teiche und Wälder und durch übergreifende gesellschaftliche Einrichtungen wie Eisenbahnen, Straßen und Kanäle eine vom bäuerlichen Privateigentum am Boden bestimmte Parzellierung der landwirtschaftlichen Nutzfläche hinzugefügt. Nicht einer wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit folgend, war der Acker stark zergliedert durch Feldraine und -hecken, welche nicht nur Überwinterungsquartiere für verschiedene Schädlinge und Unkräuter waren, sondern gleichzeitig die schwer bestellbaren Randstücke über ein vernünftiges Maß hinaus vergrößerten. Wege, Gräben, Feldscheunen u. a. wirtschaftliche Einrichtungen, die von gegeneinander isolierten Kleinproduzenten angelegt worden sind, stellten ein weiteres Muttermal des in die genossenschaftliche Nutzung übernommenen Bodens dar. Ungleichmäßige und ungleichartige Nutzung des Bodens, verschieden intensives Pflügen, Kalken, Düngen, Meliorieren führten dazu, daß der Boden auch von seinem Kulturzustand her bei seiner Zusammenfassung in der Hand der Genossenschaft stark zergliedert war. Selbst die Fruchtfolgen benachbarter und oft gleichartiger Bodenstücke waren häufig uneinheitlich. All diese Probleme machen deutlich, daß die Organisierung der genossenschaftlichen Großproduktion unmöglich war, ohne umfassende Anwendung einer Agronomie, die auf die Bedürfnisse dieses Übergangs hin entwickelt wurde. Konsequente Neuordnung der Fluren im Sinne der Großproduktion war allerdings auch erst möglich, als vom "voll genossenschaftlichen Dorf" die Rede sein konnte. Solange die Flächen der LPG noch durchbrochen waren von einzelbäuerlichen Äckern, mußten alle Lösungen unvollkommen, provisorisch und problematisch bleiben. Solange es der LPG nicht möglich war, die Zersplitterung ihrer Äcker zu überwinden, blieb es auch äußerst schwierig, eine wirklich genossenschaftliche Arbeit zu organisieren, also die Arbeitskräfte arbeitsteilig und kombiniert unter einheitlicher Leitung einzusetzen, kollektive Arbeitsdisziplin, Leistungsprinzip und sozialistischen Wettbewerb zu wirklichem Leben zu bringen.

In der Literatur finden sich u. a. die folgenden Beispiele, die das Ausmaß der auf die LPG überkommenen Zersplitterung der Ackerschläge erkennen lassen. Die LPG "Fortschritt" in Veckenstett (Kreis Wernigerode) bewirtschaftete nach dem Zusammenschluß aller Bauern 1269 ha Ackerland, die sich aus mehr als 1500 Flurstücken mit einer durchschnittlichen Größe von 0,84 ha zusammensetzte. Diese konnten unter großer Anstrengung zunächst zu 90 Schlägen mit einer durchschnittlichen Größe von 14 ha zusammengefaßt werden. Quelle!

Die LPG Selmsdorf (Kreis Grevesmühlen) verfügte unmittelbar nach dem Eintritt aller Bauern über 1240 ha in 238 Stücken, von denen nur 7 eine Größe von mehr als 20 ha hatten, weitere 19 zwischen 10 und 20 ha groß waren, während 67 Ackerstücke kleiner als 1 ha waren; 82 Stücke maßen zwischen 1,1 und 3 ha und weitere 41 zwischen 3,1 und 5 ha. Quelle!

   

 

 

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