Sieben Vorspiele zu einem Nachruf

 

IV

Ehe sie kommen, muß alles durchgegangen sein.

Was habe ich wann gesagt? Was habe ich wo geschrieben? Was wird mich kompromitieren jetzt?

Wer es nötig hat und versteht, sucht nach der subtileren Strategie der Ehrenrettung, eine Art der Rechtfertigung, die nicht so beschämt. Anpassung, doch wer es sich leisten kann, sucht Peinlichkeiten zu vermeiden. Wir werden sehen, was sich da machen läßt.

Wir sind ja intelligent.

Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk bleibt. Das ließ Stalin verbreiten. Er hatte es gnädig gemeint. Wer Gnade annimmt, unterwirft sich. Ein Strich sollte gezogen werden zwischen den exponierten Nazi-Verbrechern und dem Volk. Abspaltung tut so gut.

Was aber, wenn wir die Losung in dem Bewußtsein lesen, welches den Zusammenhang weiß zwischen dem Volk und seinen Cäsaren und Henkern?

Das deutsche Volk jedenfalls bleibt! Wohin auch mit ihm? Es bleibt, wo es ist, und juckt sich das Fell. Vielleicht geht es dem "Volkskörper" so, wie Ortega y Gasset vom Einzelmenschen vermutet: daß er sich periodisch losmachen muß von seiner Kultur und ganz ohne sie bleiben muß, wie der Fuchs, der ins Wasser springt, um alle seine Flöhe an der Schnauze zu sammeln und durch ein schnelles Untertauchen sich von ihnen zu befreien.

Wer sich unter den Flöhen weiß, wie ich, hat Angst vorm Ertrinken, wie ich.

 

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© by Juergen Trinkus 1990